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Geo-Visualisierung

Englische Version

Generalisierung von Küstenlinien

Küstenlinien sind ein besonderes Element in Landkarten. Während andere Elemente der gezeigten Landschaft je nach Zweck der Karte weggelassen werden, wird die Unterscheidung zwischen Meer und Land fast universell in Landkarten dargestellt. Anhand von Küstenlinien wurde außerdem zum ersten Mal die fraktale und skalenunabhängige Natur geographischer Formen beobachtet und analysiert – in Benoît Mandelbrots bekanntem Artikel. Hierdurch sind Küstenlinien ein besonders wichtiges und gleichzeitig aber auch ein schwierig zu handhabendes Element in Kartendarstellungen.

Die folgenden Bilder zeigen einige Beispiele der Darstellung von Küstenlinien in aktuellen Internet-Kartendiensten mit dem Ägäischen Meer als Beispielregion – gewählt aufgrund seiner komplexen und markanten Küstenlinie. Was diese Karten alle gemeinsam haben ist, dass die Form der Küstenlinie nicht besonders gut zu erkennen ist. Dies liegt zum Teil daran, dass die Beschriftungen sie verdecken, hat aber auch etwas damit zu tun, wie die Küste selbst dargestellt wird.

Google maps Beispiel Bing maps Beispiel here.net Beispiel
Google maps (terrain Modus) Bing maps Nokia here.net
Openstreetmap example Openstreetmap transport map example Geofabrik topo example
Openstreetmap Openstreetmap transport map Geofabrik topo

Was diese Karten mit Ausnahme der letzten beiden gemeinsam haben ist, dass die Küste nicht als Linie dargestellt wird, sondern lediglich als Grenze zwischen Land und Meer aufgrund deren unterschiedlicher Färbung in Erscheinung tritt. Die letzten beiden Karten zeichnen eine Küstenlinie explizit ein, aber nur sehr dünn und deshalb kaum wahrnehmbar.

Man würde eigentlich davon ausgehen, dass diese Darstellungsform gewählt wurde, um zu vermeiden, die Sichtbarkeit anderer, als wichtiger erachteter Elemente durch eine allzu deutlich wiedergegebene Linie zu verschlechtern. Aber es gibt noch einen anderen Grund.

Im Grunde färben diese Karten einfach alle Pixel auf der einen Seite der Küstenlinie in der Farbe für das Wasser und auf der anderen Seite in der des Landes. Was man hierdurch erhält ist im ersten Bild unten gezeigt. Die Farben sind absichtlich mit recht geringem Konstrast gewählt um eine gute Vergleichbarkeit mit den Beispielen oben zu gewährleisten. Ein geringfügig anderes Ergebnis erhält man, wenn man diese Land/Meer-Maske zunächst in höherer Auflösung erzeugt und dann runterskaliert – ein Verfahren, welches man auch als 'supersampling' bezeichnet. Das zweite Bild unten ist auf diese Weise produziert – die Kanten sind hierdurch geringfügig weniger kontrastreich, jedoch ergibt sich insgesamt ein saubereres Erscheinungsbild. Der Kontrast könnte auch durch geeignete Filterung noch verbessert werden. Alles in Allem sind diese zwei Bilder den vorher gezeigten Beipielen sehr ähnlich was das Erscheinungsbild der Küstenlinie angeht.

Was passiert, wenn man zusätzlich die Küste mit einer Linie markiert ist im dritten Bild gezeigt. Auch wenn dadurch die Küstenlinie sehr stark betont wird wird der Gesamteindruck hierdurch nicht sauberer.

Land-Wasser-Maske Land-Wasser-Maske supersampled Land-Wasser-Maske mit Küstenlinie
Land-Wasser-Maske Land-Wasser-Maske supersampled mit Küstenlinie auf Basis der Originaldaten

Das Phänomen, welches all diese Bilder recht unsauber und unruhig macht nennt man Aliasing. Das niedrig aufgelöste Bild, welches zur Darstellung dient, kann die feinen Details der Küstenliniendaten nicht wiedergeben. Anstatt diese Details einfach wegzulassen, produzieren die geschilderten Verfahren zur Darstellung jedoch alle möglichen Artefakte auf Grundlage dieser hochfrequneten Komponenten in den Daten. Das Supersampling reduziert das Aliasing, so dass das zweite Bild die wenigsten Artefakte zeigt. Dies ist auch letztendlich die Methode, welche von allen oben gezeigten Karten angewandt wird.

Aliasing kann ein Problem bei der Darstellung aller möglichen Dinge in Landkarten sein. Allerdings sind Küstenlinien hierfür aufgrund ihrer fraktalen Natur, welche ich in der Einleitung erwähnt habe, besonders anfällig. Da alle diese Karten auch die Darstellung wesentlich höherer Vergrößerungen anbieten, ist die Datengrundlage für die Küstenlinien sehr detailliert. Und anders als zum Beispiel Straßen, welche im Detail prinzipbedingt ab einer bestimmten Vergrößerung gerade sind, sind Küstenlinien auch aus der Nähe betrachtet oft stark strukturiert.

Maßstabsabhängige Vereinfachung

Es gibt jedoch einen zuverlässigen Weg, Aliasing-Artefakte zu vermeiden: Man eliminiert die hochfrequenten Details vor dem Zeichnen der Karte. Dies ist keine neue Idee, tatsächlich stellt dies einen wesentlichen Teil von dem dar, was man Generalisierung nennt. Der Zweck von Vereinfachung bei der Generalisierung liegt in der Entfernung kleiner Details, welche in der Karte nicht angemessen dargestellt werden können um dadurch die Lesbarkeit der dargestellten Elemente zu verbessern. Als Nebeneffekt verhindert dies auch die Aliasing-Artefakte.

Außer der Vereinfachung hat die Generalisierung bei den Küstenlinien noch eine andere wichtige Aufgabe. Sie soll sicherstellen, dass Schlüsselelemente der Küste richtig dargestellt werden. Dies erfordert gelegentlich die Verschiebung der Küstenlinie und macht dadurch die Darstellung weniger genau. In der gezeigten Beispielgegend haben alle untersuchten Karten Probleme, die Meeresstraßen zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer richtig darzustellen. Google Maps und Openstreetmap sind hier am schlechtesten indem sie den Bosporus überhaupt nicht zeigen. Wird eine Küstenlinie explizit eingezeichnet sind solche Strukturen zwar zu sehen, eine angemessene Darstellung erfordert es aber, die Meerengen so breit darzustellen, dass sich die beiden Ufer in der Karte nicht berühren. Genauso sollten schmale Landbrücken so breit gezeichnet werden, dass die Küstenlinien sich auf der Landseite nicht berühren.

Unterhalb sind eine Reihe von Küstenlinien-Darstellungen mit unterschiedlichen Vergrößerungen zu sehen, bei welchen die Daten nach den zuvor erläuterten Kriterien generalisiert wurden. Sie können auf die Bilder klicken, um diese in doppelter Größe anzuzeigen.

generalisierte Küstenlinie generalisierte Küstenlinie
generalisierte Küstenlinie generalisierte Küstenlinie
generalisierte Küstenlinie generalisierte Küstenlinie

Nun gibt es keine festen Regeln, wie so eine generalisierte Küstenlinie zu produzieren ist. Dies basiert auf einer vielzahl subjektiver Entscheidungen. Man nehme zum Beispiel die Inseln. Wenn eine Insel kleiner ist als eine gewisse, vom Maßstab der Karte abhängige Grenze, kann sie nicht in der Karte dargestellt werden. Man kann deshalb entweder alle Inseln unterhalb dieser Grenze weglassen oder die größten von ihnen so weit vergrößern, dass Ihre Darstellung möglich wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin, mehrere kleine Inseln zusammenfassend als eine größere darzustellen. Man könnte sich auch auf den Standpunkt stellen, dass eine Insel mit hohen Bergen größere Priorität für die Darstellung hat, als eine flache Insel.

Zurück zu den anfangs gezeigten Beispielkarten. Vermutlich verwenden die meisten von diesen keine explizite Generalisierung der Küstenlinien-Daten. Stattdessen verlassen sie sich auf die implizite Vereinfachung, die aus der niedrig aufgelösten Wiedergabe im Bild resoultiert, welche aber zu den erwähnten Aliasing-Artefakten führt. Die Bing- and here.net-Karte zeigen die türkischen Meerengen besser als der Rest, wenngleich dies vermutlich auf eine Filterung im Zeichenprozess und nicht auf eine Generalisierung der Daten zurückgeht. Die letzten beiden Beispiele, welche eine explizite Küstenlinie zeichen, unterscheiden sich von den übrigen, sie verwenden eine generalisierte Künstenlinie bei diesen geringen Vergrößerungen. Natural Earth bietet drei verschiedene Generalisierungen, welche per Hand produziert wurden. Diese Beispiele verwenden die detaillierteste von diesen, welche etwas detaillierter ist, als für den gezeigten Maßstab angemessen wäre, was jedoch nur zu sehr wenigen Artefakten führt. Dies erlaubt es wesentlich besser, die Küste als Linie darzustellen, als dies auf Basis detaillierterer Daten möglich wäre, die schmalen Landbrücken und Meeresengen sind jedoch für diese Auflösung nicht breit genug. Unten habe ich die beiden gröberen Generalisierungen dieses Datensatzes bei ihrem ungefähren Zielmaßstab dargestellt.

natural earth 50m Küstenlinie natural earth 110m Küstenlinie
Natural Earth Küstenlinie 1:50m Natural Earth Küstenlinie 1:110m

Der Grund, weshalb die meisten Internet-Karten keine generalisierte Küstenlinie verwenden liegt nicht nur am Aufwand, welcher für deren Produktion bei jedem verfügbaren Darstellungsmaßstab notwendig wäre. Da bei der Generalisierung die Linie verschoben wird, müssten andere Elemente der Karte ebenfalls verschoben werden. Insbesondere bei Openstreetmap, wo sich die Datengrundlage permanent verändert, ist dies wesentlich schwieriger umzusetzen, als es auf den ersten Blick erscheint, wenn man nur die Küstenlinie allein betrachtet.

Beispieldaten

Hier können Sie einen Beispieldatensatz mit einer generalisierten Küstenlinie der gesamten Erde herunterladen. Dieser basiert auf Openstreetmap-Daten (sowie NSIDC-Daten für die Antarktis) und ist geeignet für Internet-Karten in sphärischer Mercator-Projektion. Die Detailliertheit ist vergleichbar mit dem Natural Earth 10m-Datensatz. Datenstand von Version 2 ist der 9. Januar 2013. Die Küstenlinien sind in Form von Land-Polygonen dargestellt und aufgeteilt in 16 Kacheln.

Diese Dateien werden unter der Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 Lizenz bereitgestellt. Die Daten sind © OpenStreetMap contributors und NSIDC. Einige mögen sich fragen, warum diese nicht unter ODBL stehen wie die OSM-Daten - das liegt daran, dass die generalisierten Küstenlinien nur eine Darstellung der Daten und damit nicht gedacht (und auch nicht geeignet) sind, dass man die tatsächliche Küstenlinie aus diesen extrahiert. Daher handelt es sich um ein 'produced work' entsprechend der ODBL.

Karte zur Demonstration

Auf Basis dieser Daten habe ich auch eine Demonstration erstellt, welche die Unterschiede in der Generalisierung in Abhängigkeit vom Maßstab zeigt.

Christoph Hormann, Dezember 2012

Kommentare:

von Waldir aus Cape Verde am Thu Mar 21 2013 18:23:18
Very interesting. Regarding coastlines that should be displayed even if they fall below the threshold for the current map zoom level, and as a citizen of a small island country, I would add that an important criterion to consider is whether the coastline corresponds to important political entities, especially countries. See for example http://commons.wikimedia.org/wiki/File:World_map_clip_art.svg and http://commons.wikimedia.org/wiki/File:BlankMap-World-v5_small_states.PNG\\n\\nI should also mention this image: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Simple_world_map.svg -- it's interesting and tangentially related to this topic.
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