Dieser Beitrag ist die Fortsetzung meiner Ende letzten Jahres mit Texten zur Darstellung von Wegen und Gewässern begonnenen Reihe, mit der ich ein bisschen mehr über die Gestaltung von Karten auf OpenStreetMap-Basis schreiben möchte. Diesmal beschäftige ich mich mit der Darstellung von Wäldern.
Zunächst ein bisschen Geschichte zur Erfassung und Darstellung von Wäldern in der OpenStreetMap-Welt. Abgesehen von der fehlgeschlagenen Differenzierung zwischen landuse=forest und natural=wood – über die es vermutlich niemals einen Konsens geben dürfte, was sie genau bedeuten soll – habe Mapper in OpenStreetMap schon sehr früh begonnen, verschiedene Arten von Wald mit Hilfe des Schlüssels wood zu differenzieren. Die meistgebrauchten Werte waren deciduous, coniferous und mixed.
Das war einer der offensichtlichsten Fälle von geographischer Voreingenommenheit in OpenStreetMap. Die Mapper, welche dieses Konzept eingeführt haben, stammten größtenteils aus Flachland-Regionen Mitteleuropas wo man gewohnt ist, dass Nadelbäume fast durchgehend immergrün sind und Laubbäume ihr Laub im Winter abwerfen. Global betrachtet gibt es jedoch alle Kombinationen davon und mit der Zeit haben die Mapper begriffen, dass wood=deciduous/coniferous/mixed nicht wirklich ein universelles Werkzeug ist, um Wälder zu klassifizieren und man hat die neuen Schlüssel leaf_type und leaf_cycle eingeführt. Diese sind jetzt allgemein akzeptiert.
Für mehr Hintergrund-Information zum allgemeinen Thema der Wald-Darstellung in Karten empfiehlt sich Jerrys history of woodland cartography von 2014.
Was ich jetzt im alternative-colors-Stil implementiert habe geht auf die erste größere Änderung in der Darstellung von Wald in OSM-Carto zurück. Damals war die wesentliche Differenzierung noch zwischen landuse=forest und natural=wood – welche selbst unter der Annahme eines konsistenten Unterschiedes zwischen den beiden im Vergleich zu andere Differenzierungen in der Karte einen zu kräftigen Unterschied darstellte.
Das wurde 2015 vereinheitlicht unter Verwendung eines Baum-Paar-Symbols. Die Diskussion dazu findet sich hier.
Das war damals als provisorische Lösung gedacht bis eine Darstellung entsprechend leaf_type möglich ist, was dann später umgesetzt wurde, wobei die Baum-Paar-Symbole weiterverwendet wurden für die Darsellung von Flächen ohne Angabe von leaf_type.
Diese Gestaltung halte ich für etwas suboptimal. Die starke Abstraktion bei den Symbolen ist recht un-intuitiv (man könnte auch an einen Tennisschläger und einen Tortenheber denken). Symbole in Mustern funktionieren anders als Einzelsymbole, der Leser der Karte nimmt sie anders war. Es ist nicht unbedingt notwendig, dass man das einzelne Symbol erkennen kann um die Karte lesen zu können, es ist das Muster als Ganzes, welches lesbar sein muss. Das bedeutet, dass wenn das Einzel-Symbol nicht gut zu erkennen ist, das Muster als Ganzes nicht unbedingt unbrauchbar ist. Auf der anderen Seite gibt es aber auch keinen Grund für eine extrem einfache Geometrie bei den Einzel-Symbolen damit um jeden Preis eine klare und konturscharfe Darstellung sichergestellt ist. Stattdessen muss das Muster vor allem mit dem Rest der Karte harmonieren und sollte natürlich daneben – soweit wie möglich – intuitiv verständlich sein.
Damals 2015 habe ich im Rahmen der Diskussion um die Darstellung von Wäldern eine Reihe von Konzept-Skizzen produziert, um verschiedenen Gestaltungs-Ansätze zu demonstrieren.
Die erste Variante verwendet die Symbole, welche später auch für OSM-Carto verwendet wurden, die zweite Variante verwendet etwas komplexere Formen, die dritte ist am Stil deutscher topographischer Karten orientiert und die letzte Variante zeigt einen völlig anderen Ansatz – sie basiert auf der Idee einer Ansicht des Waldes von oben im Gegensatz zu den sonst üblichen Profildarstellungen der Bäume.
Der Vorteil dieser letzten Variante ist, dass indem man nicht auf die figürliche Darstellung der Einzelbäume baut, sondern nur eine Gesamt-Struktur des Waldes darstellt – ein bisschen so wie bei den Mustern für unbewachsenen Untergrund – man eine Ablenkung des Betrachters von anderen Punkt- und Linien-Signaturen in der Karte vermeiden kann. Der Nachteil ist jedoch, dass man wesentlich weniger Möglichkeiten hat, über das Muster konkrete Informationen zu transportieren. Die drei Typen Laubwald, Nadelwald und Mischwald sind im Grunde bereits das Maximum an Differenzierung, das hier über die Geometrie des Musters möglich ist, während ein Muster mit figürlichen Einzel-Symbolen im Prinzip über unterschiedliche Symbole viel mehr differenzieren kann.
Kreise und Punkte sind – quasi als abstrakte Darstellung einer Ansicht eines Baumes von oben – recht weit verbreitet bei der Darstellung von Wäldern. Ältere französische topographische Karten verwenden dies, neuere nur für Laubwälder während die Nadelwaldsymbole Profil-Ansichten sind. Man findet diese sowie die neueren Varianten auf dem IGN Géoportail.
Hier eine Darstellung, die sich an der neueren französichen Gestaltung anlehnt.
Eine abstrakte Darstellung von Nadelbäumen von oben findet sich verbreitet in norwegischen Karten – hier zwei Beispiele, weitere findet man in der historischen Kartensammlung von Kartverket.
In Bezug auf die Perspektive ähnelt dieses Konzept etwas dem oben gezeigten Strukturmuster. Man kann auch dies natürlich an die digitale Kartendarstellung anpassen.
Alles bisher gezeigte basiert auf der Idee von zwei Typen von Wäldern – Nadelwäldern (welche man als immergrün annimmt) und Laubwäldern (welche implizit als laubwerfend angenommen werden). Diese Übereinstimmung zwischen leaf_type und leaf_cycle ist global betrachtet jedoch eigentlich nicht sonderlich verbreitet und leaf_cycle, also die Unterscheidung zwischen immergrün und laubwerfend, ist oft lokal die bedeutendere Unterscheidung. Borealer Wald wird von Nadelbäumen dominiert und die Haupt-Unterscheidung besteht zwischen immergrünen Bäumen (Fichten, Tannen und Kiefern) und sommergrünen Baumen (Lärchen). Bei niedrigen Breiten (Tropen und Subtropen) sind Wälder von Laubbäumen dominiert und die Differenzierung liegt zwischen immergrünen Bäumen und Bäumen, welche in der Trockenzeit das Laub abwerfen. In der gemäßigten Zone der Süd-Hemisphere sind immergrüne Laubbäume deutlich weiter verbreitet als im Norden, so dass hier die Unterscheidung nach leaf_cycle ebenfalls bedeutender ist.
Die Darstellung von leaf_cycle unabhängig von leaf_type oder der Art der Bäume ist in der klassischen Kartographie sehr wenig verbreitet – hauptsächlich weil wie bereits erwähnt die Trennung zwischen diesen beiden Dimensionen der Klassifikation von Wäldern in vielen der Länder, die historisch in der Kartographie führend waren, nicht entscheidend war. Ein weiteres Problem bei OpenStreetMap-Karten, welche der Rückmeldung an die Mapper dienen sollen, besteht darin, dass neben den drei Haupt-Klassen für leaf_cycle (evergreen, deciduous und mixed) auch eine vierte Klasse für Flächen ohne eine entsprechende Angabe erforderlich ist.
Ich hab für den Moment die Verwendung unterschiedlicher Symbol-Farben für die Illustration von leaf_cycle gewählt. Das kombiniere ich mit neu gestalteten Symbolen mit relativ traditionellen Formen. Das ist jedoch nicht in Stein gegossen, ich denke nach wie vor auch über andere Möglichkeiten nach. Hier ist gezeigt, wie das Ganze aussieht.
Das hab ich für natural=wood/landuse=forest, natural=scrub und natural=wetland + wetland=swamp sowie natural=wetland + wetland=mangrove implementiert – letzteres ohne die Differenzierung, denn Mangroven sind generell immergrüne Laubbäume.
Wie man sieht stelle ich Flächen ohne Angabe von leaf_type bei wood und swamp ohne Symbole dar – ich verwende als nicht das Baum-Paar-Konzept von OSM-Carto. Das bedeutet, dass leaf_cycle ohne leaf_type nicht dargestellt wird, dass tritt praktisch in den Daten jedoch auch recht selten auf. Die Symbole für scrub (Buschland) sind kleine, vereinfachte Versionen der Baum-Symbole. Ich verwende für Flächen ohne leaf_type das etablierte scrub-Symbol. Bei Buschland ist im Vergleich zu Wäldern die Angabe von leaf_type und insbesondere leaf_cycle weniger verbreitet. Für swamp existiert diese praktisch überhaupt nicht. Hier die Zahlen im Detail.
- natural=wood: 4.6M
- leaf_type: 258k
- leaf_type=broadleaved: 144k
- leaf_type=mixed: 83k
- leaf_type=needleleaved: 30k
- leaf_cycle: 111k
- leaf_cycle=deciduous: 84k
- leaf_cycle=mixed: 14k
- leaf_cycle=evergreen: 12k
- leaf_type: 258k
- landuse=forest: 3.5M
- leaf_type: 329k
- leaf_type=broadleaved: 165k
- leaf_type=mixed: 85k
- leaf_type=needleleaved: 78k
- leaf_cycle: 115k
- leaf_cycle=deciduous: 68k
- leaf_cycle=mixed: 24k
- leaf_cycle=evergreen: 18k
- leaf_cycle=semi_deciduous: 2k
- leaf_type: 329k
- natural=scrub: 1.9M
- leaf_type: 48k
- leaf_type=broadleaved: 15k
- leaf_type=mixed: 4.1k
- leaf_type=needleleaved: 29k
- leaf_cycle: 15k
- leaf_cycle=deciduous: 11k
- leaf_cycle=mixed: 2.6k
- leaf_cycle=evergreen: 1.8k
- leaf_type: 48k
- wetland=swamp: 80k
- weniger als 1k mit leaf_type/leaf_cycle
Das bedeutet auch, dass eine weitere Differenzierung in der Darstellung – zum Beispiel bestimmte Baumarten dediziert zu zeigen anstatt nur die Grob-Klassifikation mit leaf_type – aktuell dadurch begrenzt wird, dass es keine nennenswerten Daten dafür gibt, auf die man bauen könnte. Das Ganze ist ein interessantes Thema und man findet in der klassischen Kartographie auf Papier-Basis eine ganze Reihe von Ansätzen in diese Richtung. Ebenso für die Unterscheidung zwischen dichten Wäldern mit geschlossenem Kronen-Dach und offenen Wäldern. Ein Thema für die Zukunft.
Die verwendeten Symbole wird es in der nächsten Version von jsdotpattern geben.
17. Juni 2018 um 11:21 Uhr
Cool!