Imagico.de

blog

Ein paar Gedanken zu Rollen und zur Verantwortung von Entwicklern und Projekt-Betreuern in der OpenStreetMap-Community

| Keine Kommentare

OpenStreeMap wird oft als Do-okratie beschrieben. Was Entscheidungen beim Mappen und Tagging angeht – und dass sind die wichtigsten Aktivitäten im Projekt – ist diese Beschreibung durchaus zutreffend und zum größten Teil funktioniert dies auch recht gut. Der Ansatz ist gewissermaßen, dass diejenigen, die die Arbeit machen auch entscheiden, wie sie gemacht wird. Gepaart mit dem Primat des lokalen Wissens in OpenStreeMap ist dies eine recht gute Versicherung dagegen, dass eine kleine Gruppe von Leuten mit ihren subjektiven Präferenzen und einem bestimmten kulturellen Hintergrund das Gesamt-Projekt dominieren und die Entscheidungen fällen.

Der bedeutendste Angriff auf dieses Prinzip kam mit dem Aufstieg organisierten Mappens in OpenStreeMap. Als ich den ersten Englisch-sprachigen Entwurf für eine Regulierung organisierter Aktivitäten in OpenStreeMap verfasst habe, habe ich das wie folgt erklärt:

OpenStreetMap is an international project where thousands of volunteers together produce open geodata during their free time. As a community OpenStreetMap works through checks and balances that rely on every mapper deciding on what to map and how to map individually and being responsible for her or his activities. Because each mapper can only add or edit a relatively small volume of data every day errors can be recognized and corrected by the community through communication and open processes before larger damage is done to the database. For automated edits and imports this does not work the same way so we have documentation requirements and review processes designed to prevent bigger problems with such activities and to avoid disruptive and time consuming repairs of the data.

Organized mapping activities by groups of people who act under instructions of an organization often come with similar problems. Errors and deficits in the instructions given or in the way they are communicated to the mappers of the group can result in large scale damage to the data and can be disruptive to normal mapping activity. And although we in principle welcome such organized activity we have put up this policy to regulate organized mapping activities in the interest of the individual mappers and a functioning mapping community.

Es ist im Moment noch nicht abschließend geklärt, wie weitreichend die problematischen Einflüsse organisierter Aktivitäten durch die jetzt existierende Regulierung tatsächlich erfolgreich verhindert werden.

Außer organisierten Aktivitäten gibt es andere Einflüsse und Rahmenbedingungen, die die egalitäre und freie Zusammenarbeit beim Mappen in OpenStreeMap gefährden. Einer davon ist der politische Bereich, insbesondere durch regulatorische Maßnahmen und Grundsatz-Entscheidungen der OSMF. Das beste Beispiel dafür ist die Krim-Entscheidung des OSMF-Vorstandes. Bis jetzt ist, insbesondere weil der OSMF-Vorstand von Freiwilligen aus der Community abhängt, um seine Entscheidungen zu implementieren, die Fähigkeit des Vorstands, substantiell Entscheidungen gegen die Interessen und Werte lokaler Mapper durchzusetzen, sehr begrenzt. Und fairerweise muss man auch sagen, dass das die meisten Vorstandsmitglieder bisher meist bemüht waren, Entscheidungen im Interesse der Hobby-Mapper zu fällen. Dies könnte sich aber in der Zukunft durchaus ändern, wenn sich das Macht-Gleichgewicht in der OSMF verschiebt und die OSMF mehr auch für zentrale Aufgaben auf bezahlte Kräfte setzt und dadurch unabhängiger von der OSM-Community wird.

Den größten und auch den ältesten Einfluss auf die Mapper-Community stellen jedoch die von den Mappern bei ihrer Arbeit verwendeten Werkzeuge dar. In jüngerer Zeit gab es recht umfangreiche Kritik an den Entwicklern von iD, dem am verbreitetsten verwendeten Editor für OpenStreetMap-Daten, in Bezug auf die Entscheidungen mit Auswirkung auf Mapping- und Tagging-Entscheidungen von Nutzern dieses Editors, die diese gefällt haben und dem damit verbundenen Machtmissbrauch dieser Entwickler im Dienst von Partikularinteressen.

Ich möchte einige Gedanken zu dieser Diskussion beitragen aus der Perspektive eines der Betreuer eines anderen Projektes, welches neben den Editoren großen Einfluss auf Mapper hat, dem Stil der Standard-Karte auf openstreetmap.org. Der Einfluss des Standard-Stils auf Mapper ist nicht so direkt wie bei den Editoren und es ist daher nicht so einfach, diesen Einfluss zielgerichtet einzusetzen, aber er ist dennoch recht bedeutend. Und im Gegensatz zu den Editoren, wo die größte Möglichkeit zur zielgerichteten Einflussnahme auf Mapper darin besteht, zu bestimmen, wie Mapper etwas erfassen, zur dessen Erfassung sie sich bereits selbst entschlossen haben, kann der Standardstil in erheblichem Maße auch Mapper dazu anregen, bestimmte Dinge bevorzugt zu erfassen.

Mein Ansatz hierzu war von Beginn meiner Mitarbeit an OSM-Carto an, dass es die Rolle des Projektes sein sollte, Mapper zu unterstützen und nicht sie zu steuern. Das bedeutet im Grunde, dass man Dinge, die von Mappern konsistent erfasst werden, in einer bestimmten und klar erkennbaren Form auf der Karte darstellt und dadurch den Mappern eine klare Rückmeldung dazu gibt, was die richtige und etablierte Methode ist, diese Dinge zu erfassen. Auf der anderen Seite bedeutet dies auch, dass man nicht einfach damit anfängt, bestimmte Dinge darzustellen nur weil man selbst – oder jemand anders – es für eine gute Idee hält, solche Dinge auf diese Art zu erfassen, denn diese Art von Überlegung ist inhärent durch subjektive und kulturelle Präferenzen und Voreingenommenheiten geprägt.

Ich sollte klarstellen, dass diese Ansichten nicht von allen OSM-Carto-Maintainern geteilt werden. Ich bin vermutlich der deutlichste Vertreter dieser Idee der Selbst-Begrenzung, jedoch vertreten auch eine ganze Reihe der übrigen Maintainer die gleiche grundsätzliche Vorstellung. Aus diesem Grund entstammen die meisten nicht konstruktiven Darstellungs-Entscheidungen in OSM-Carto entweder versehentlichen oder nachlässigen Änderungen, welche ohne ausreichende Berücksichtigung ihrer Folgen durchgeführt wurden, oder sie stammen aus dem Zeitraum von Mitte 2017 bis Ende 2018 als wir das Konsens-Prinzip für Änderungen gelockert hatten und Änderungen ohne Konsens unter den Maintainern eingebaut werden konnten.

Es sollte klar sein, dass wenn das Team der OSM-Carto-Maintainer kleiner wäre und seine Mitglieder recht einheitliche gemeinsame Interessen hätten (wie es beim iD-Projekt der Fall ist), der Anreiz seinen Einfluss auf Mapper im Sinne dieser Interessen zu nutzen, enorm wäre. Im Falle der iD-Entwickler, welche beide beide für Unternehmen arbeiten, welche OSM-Daten nutzen, ist der praktische Einfluss dieser Interessen recht klar von ziemlich großer Bedeutung und es wird auch offen von den Entwicklern zugegeben, das ihr Haupt-Augenmerk die Nützlichkeit der OpenStreetMap-Daten für bestimmte Anwendungen ist. Gleichzeitig wäre es aber keineswegs unbedingt besser, Entscheidungen und die Aufsicht über das Projekt in die Hand einer Reihe zufällig ausgewählter Mapper zu legen. Wenn in OSM-Karto Entscheidungen ausschließlich unter der Prämisse der Mapper-Unterstützung gefällt werden, führt dies vor allem auch unter Mappern zu Kritik, die ihre bevorzugte Tagging-Idee gerne gegen Konkurrenz-Ideen im Vorteil sehen würden. Hobby-Mapper sind keineswegs gegen die einseitige Unterstützung von Partikular-Interessen immun.

Die beste und einzige Lösung für dieses Problem besteht meiner Meinung nach in einem wirksamen und fairen Wettbewerb darin, die besten Werkzeuge für Mapper bereitzustellen.

Eine echte Wahl zu haben und die möglichen Optionen frei in der Praxis auszuprobieren und zu testen, würde es Mappern ermöglichen, mit den Füßen abzustimmen und am Ende kollektiv die besten Lösungen zu unterstützen. Damit würde verhindert, dass ein einzelnes Projekt durch das Fehlen anderer Optionen dominiert, was auch erheblich die Möglichkeit verringert, bei der Entwicklung Partikularinteressen zu unterstützen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sowohl bei Editoren als auch bei Kartenstilen Projekte, die Entscheidungen auf Grundlage des skizzierten Prinzips der zurückhaltenden Unterstützung von Mappern, langfristig die meiste Wertschätzung und Unterstützung der weltweiten Mapper-Community bekommen dürften.

Lange Geschichte, kurz gefasst:

  • Die Möglichkeit der Einflussnahme auf Mapper zur Förderung spezifischer Interessen wird für die Entwickler von Mapping-Werkzeugen immer ein erheblicher Anreiz sein – entweder entsprechend eigener persönlicher Präferenzen oder zur Förderung von externen Interessen.
  • Von Unternehmens-Mitarbeitern zu erwarten, dass sie als Projekt-Betreuer Entscheidungen gegen die Interessen ihres Arbeitnehmers fällen, ist nicht realistisch. Gleichzeitig unterscheiden sich die Interessen der OSM-Community und des Projektes teils fundamental von denen bestimmter Datennutzer.
  • Der beste Weg, dieses Problem anzugehen, besteht darin, immer für eine reale Wahlmöglichkeit und einen fairen Wettbewerb zwischen verschiedenen Werkzeugen (Editoren, Kartenstilen) für die selbe Aufgabe zu sorgen.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Pflichtfelder sind mit * markiert.



Durch das Abschicken Ihres Kommentars stimmen Sie der Datenschutzrichtlinie zu und erlauben, dass die eingegebenen Informationen (mit Ausnahme der eMail-Adresse) in diesem Blog veröffentlicht werden.