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Panorama des Doms von Münster
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FOSSGIS 2025 – Eindrücke

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Die letzten paar Tage war ich nach vielen Jahren mal wieder auf der FOSSGIS-Konferenz. Und ich möchte hier ein paar Eindrücke zu verschiedenen Themen teilen.

Schloss Münster

Vortrag

Ich hab auf der Konferenz einen Vortrag zur Satellitenbild-Bearbeitung präsentiert. Die Aufzeichnung kann man beim CCC sehen.

Die Folien wird der Verein wohl auch zeitnah veröffentlichen.

Satellitenbild-Themen, die über halbwegs standardisierte Analytik (wir extrahieren irgendwelche semantischen Informationen aus dem Bild und arbeiten dann damit) hinaus gehen, sind auf der FOSSGIS immer recht exotisch. Ich hab deshalb versucht, das Ganze genügend allgemeinverständlich aufzuziehen, wodurch man dann in 20 Minuten natürlich auch nicht in die Tiefe gehen kann. Der Vortrag war vor Ort gut besucht, das meiste Feedback kam allerdings zunächst – bei der FOSSGIS durchaus erwartbar – zu den von mir angemerkten Lücken ind den Fähigkeiten von FOSS-Tools.

Interessant ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass in Gesprächen wie auch in verschiedenen anderen Vorträgen klar wurde, wie sehr die Finanzierung von FOSS-Entwicklung an kurzfristigen unmittelbaren Bedarfen orientiert ist und wie – gerade auch im Bereich von Grundlagen-Werkzeugen wie GDAL – strategische Investitionen praktisch kaum stattfinden. Ich hatte das im Kontext von OpenStreetMap in Bezug auf Kartengestaltung schon öfters angemerkt. Mir war jedoch bis jetzt nicht klar, wie weit verbreitet dieses Phänomen im Bereich FOSS generell ist. Aber das ist durchaus nachvollziehbar. Wenn zum Beispiel die Firma Esri in die Entwicklung von GDAL investiert, dann tut Sie es ja nicht, um Konkurrenz zu ihren eigenen Produkten aufzubauen. Das Ziel dürfte viel mehr das selbe sein wie bei anderen Sponsoren: günstig recht kurzfristige unmittelbare Bedarfe für die eigenen Produkte und Dienstleistungen zu decken.

Vor dem Hintergrund ist meine Idee, dass es hier vielleicht Potential für eine wirtschaftlich tragfähige Zusammenarbeit zwischen Methoden-Entwicklung (das, was ich mache) und professioneller Open-Source-Software-Entwicklung geben könnte, die diese Methoden anderen Anwendern zugänglich macht, vielleicht etwas naiv. Denn so eine Zusammenarbeit würde natürlich ausschließlich vor dem Hintergrund einer strategischen Investition wirtschaftlich funktionieren.

Aus dem Vortrag Verarbeitung offener Satellitendaten mit freier Software für die visuelle Anwendung

Kartographie

Daneben habe ich auf der Konferenz eine Reihe von Veranstaltungen zum Thema Kartengestaltung mit QGIS angeschaut und habe dadurch interessante Einblicke in diese Welt der interaktiven Kartengestaltung gewonnen.

Zum Verständnis des Hintergrundes: Alle meine Arbeiten im Bereich der Karten-Gestaltung basieren auf einem nicht interaktiven Arbeits-Paradigma. Ich entwickle die Regeln der Gestaltung und der zugehörigen Daten-Verarbeitung in Form von Regelbeschreibungen in dafür geeigneten Sprachen (CartoCSS, PostgreSQL, diverse allgemeine Skript-Sprachen sowie strukturierte Dateiformate). Interaktive Arbeitsschritte spielen praktisch ausschließlich bei der Gestaltung von Bild-Symbolen eine Rolle. Diese Gestaltungs-Regeln werden dann auf generische Geodaten (in den meisten Fällen OpenStreetMap-Daten) angewandt.

Die Anwender von QGIS und ähnlichen Werkzeugen arbeiten jedoch völlig anders. Das dort übliche Arbeits-Paradigma basiert auf dem Ansatz der Digitalisierung der ersten Generation, wie er in vielen Arbeitsbereichen – wie auch in der Kartographie – stattgefunden hat: Man überführt die vor-digitalen Arbeits-Abläufe eins-zu-eins in interaktive digitale Schritte. Im Bereich der Kartographie hat man diesen Ansatz mittlerweile dahingehend weiter entwickelt, dass man – zumindest teilweise – auch regelbasiert arbeitet, dass also die interaktiv durchgeführten Bearbeitungsschritte bei geänderten Ausgangsdaten automatisiert auf diese anwenden kann. Die Regelentwicklung geschieht jedoch nach wie vor vollständig interaktiv über eine grafische Benutzer-Schnittstelle, man muss sich also seine Karten-Gestaltung zwingend per Maus zusammenklicken (oder alternativ: das Ganze komplett über eine Programmier-Schnittstelle steuern). Eine für menschliches Lesen und Schreiben konzipierte Repräsentation der Gestaltungs-Regeln in Textform scheint es nach wie vor nicht zu geben.

Aber es gibt natürlich auch jede Menge Überlappungen bei Problemen und Lösungen zwischen den beiden Ansätzen. Und es war interessant zu sehen, wo da im QGIS-Bereich gerade Schwerpunktmäßig gearbeitet wird.

Was ich bemerkenswert fand, war, wie groß unter QGIS-Anwendern anscheinend der Wunsch ist, alle Lösungen innerhalb von QGIS zu haben. Ein großes Thema schien zum Beispiel zu sein, Diagramme in Karten darzustellen und was für Diagramm-Typen und Darstellungs-Formen dafür innerhalb von QGIS verfügbar sind. Für mich als überzeugtem Anhänger der Unix-Philosophie erscheint das reichlich absurd. Es gibt bereits eine Menge gute und leistungsfähige Werkzeuge, um Diagramme zu erstellen – auch als Open Source. Weshalb braucht man also eine solche Funktion innerhalb von QGIS? Ich habe den Eindruck, hier spielt der Fokus auf die interaktive Bedienung eine große Rolle. Der Anwender will die Diagramme unbedingt – genau wie den Rest der Karte – interaktiv gestalten und möchte dies mit einer mit dem Rest von QGIS einheitlichen Benutzer-Schnittstelle tun. Auch das ließe sich natürlich auch mit externen Werkzeugen zur Diagramm-Erzeugung umsetzen, würde aber den Nutzen der Modularisierung entsprechend der Unix-Philosophie weitgehend negieren.

Jahres-Hauptversammlung des Vereins

Erwähnen möchte ich auch die Jahres-Hauptversammlung des FOSSGIS-Vereins. Wichtigster Punkt dabei war, dass der FOSSGIS von den Mitgliedern die Zustimmung einholen wollte (und erhielt), im Namen von OpenStreetMap Deutschland Geldmittel von OSM-Datennutzern einzuwerben – geplant in Form von sogenannten Förder-Mitgliedschaften im Verein ohne Stimmrecht.

Ich möchte das Thema selbst hier nicht vertiefend diskutieren – das ist vielleicht mal etwas für einen separaten Blog-Post. Interessant war jedoch, dass ich der einzige war, der nicht für den Antrag gestimmt hat. Und das obwohl es in der Versammlung durchaus kritische Fragen zu der Idee gab. Ich wurde nach der Versammlung von mehreren Leuten durchgehend sehr positiv darauf angesprochen – teils in der Form, dass sie mir Ihre eigene kritische Perspektive auf das Thema erläutert haben, teils aus aktivem Interesse an den Gründen meiner zurückhaltenden Haltung dazu. Dass ich keine negativen Kommentare dazu bekommen habe, kann natürlich auch einfach ghosting sein, ich möchte es hier jedoch trotzdem explizit erwähnen, falls dies anderen hilft, in solchen Fällen die Courage zu entwickeln, offen auch mal nicht mit der dominierenden Mehrheitsmeinung zu stimmen.

Die Entwicklung und Organisation der deutschsprachigen und der internationalen OSM-Community war natürlich auch sonst ein häufiges Thema der Unterhaltungen, die ich geführt habe. Dabei ist mir ein relativ starker Kontrast aufgefallen. Auf der einen Seite gab es Gespräche, die auf einem aktiven Interesse an vielfältigen Perspektiven auf die OSM-Community aufbauten – insbesondere mit verschiedenen Aktiven im FOSSGIS aus dem nicht-OSM-Bereich, die an einer Weiterentwicklung der sozialen Strukturen im Verein für eine bessere Integration der gesamten Vielfalt von Menschen, die der Verein repräsentieren möchte, interessiert sind.

Auf der anderen Seite habe ich aber auch Gespräche geführt, in denen eine kritische Perspektive auf bestehende Strukturen entweder generell grundheraus zurückgewiesen wurde oder mir die Berechtigung und die Qualifikation für eine kritische Perspektive als außen stehendem Betrachter abgesprochen wurde.

So weit eigentlich nicht verwunderlich und im Grunde auch erwartbar. Was ich jedoch schade finde, ist, dass es zwischen beidem kaum Zwischentöne zu geben scheint. Der Wert eines produktiven Diskurses entsteht ja gerade dadurch, dass man andersartige Sichtweisen und Argumente wohlwollend aufnimmt und sich dann kritisch mit ihnen auseinandersetzt.

Ich habe nicht den Eindruck, dass im FOSSGIS die wohlwollend offene und tolerante Haltung in der Breite der einzelnen Aktiven verloren geht – das habe ich denke ich mit den Schilderungen meiner Gespräche auf dieser Konferenz auch gezeigt. Aber ich sehe doch die Gefahr, dass gerade dort, wo kurzfristige wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund rücken, geschlossene Interessengruppen entstehen, die zunehmend eine kategorische Ablehnung gegenüber Sichtweisen und Ideen entwickeln, die diese Interessen vermeintlich gefährden.

Vortrags-Empfehlungen

Ich hab nur eine Auswahl von Vorträgen tatsächlich vor Ort gesehen – denn es gibt bei der FOSSGIS immer auch die sehr praktische und zuverlässige Möglichkeit, die Vorträge per Video später anzuschauen. Aus dieser Auswahl und aus verschiedenen Gesprächen mit anderen Besuchern hier eine Reihe von Empfehlungen:

Harald Hartmann: Wie können OpenStreetMap und QGIS einen Wegewart unterstützen?

Klingt jetzt vom Titel vielleicht nicht so reizvoll – war aber einer der wenigen OSM-Vorträge der Konferenz, der sich mit praktischen Fragen des gesellschaftlichen Nutzens und der gesellschaftlichen Integration von OpenStreetMap auseinandergesetzt hat, ohne dass da ein technischer oder wirtschaftlicher Schwerpunkt im Vordergrund stand.

Roland Olbricht: Kinder, Karten, Open Source

Ebenso wie Haralds Vortrag erfrischend nicht-technisch. Und behandelt ein wirklich wichtiges und interessantes Thema: Wie man Kinder an Konzepte von Karten und Geodaten (und Geographie) und ihren praktischen Nutzen heranführen kann. Was dem Vortrag fehlt, ist eine Betrachtung des umfangreichen Erfahrungsschatzes von kindgerechter Kartographie und Geographie-Didaktik für Kinder schon aus vor-digitalen Zeiten. Aber für einen ersten Einblick in das Thema und zur Bewusstseins-Schärfung sehr zu empfehlen.

Frederik Ramm: Overpass Turbo goes PostGIS

Nicht nur praktisch reizvoll, sondern auch eine schöne Demonstration, wie ein kleines FOSS-Projekt mit praktischem Nutzen gestartet werden kann. Wobei man natürlich auch kritisch anmerken sollte, dass man sich die Infrastruktur für eine solche Demo auch erst mal leisten können muss.

Falk Zscheile: Text und Data Mining in der OpenStreetMap-Datenbank aus rechtlicher Sicht

Hab den Vortrag selbst noch gar nicht gesehen, aber mit Falk über das Thema gesprochen. Über ein Teil-Thema aus dem Spektrum Urheber- und Datenbank-Recht, welches viele nicht auf dem Radar haben.

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