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SotM-2020-Illustrationen – Projektionen und Generalisierungs-Fallstricke bei symbolischen Karten

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Die State-of-the-Map-Konferenz 2020 hat kürzlich zwei Illustrationen für die Produktion von T-shirts und Aufklebern vorgestellt und ich möchte hier ein paar kartographisch-gestalterische Aspekte davon kommentieren.

Obwohl ich nicht weiß, wann diese Illustrationen ursprünglich produziert worden, scheinen sie in gewisser Form die Merkwürdigkeiten der virtualisierten Konferenz widerzuspiegeln. Während die Konferenz zwar völlig nicht-physikalisch abläuft wird versucht, so weit wie möglich den Eindruck aufrecht zu erhalten, dass es sich hierbei irgendwie doch um eine Vor-Ort-Veranstaltung handelt, was meiner Meinung nach ungünstigerweise auch ein gewisses Aufrechterhalten der Exklusivität der Konferenz beinhaltet, wo die Kosten einer Teilnahme für den Besucher durchschnittlich in der Größenordnung von mindestens 1000 Euro gelegen hätten. Während die Teilnahme an der virtuellen Konferenz als Besucher jetzt jedem ohne finanzielle Hürde offen steht, wird das Haupt-Vortrags-Programm weiterhin ausschließlich von Leuten bestritten, welche ursprünglich bereit und in der Lage dazu waren, für diesen Zweck nach Südafrika zu reisen. Aber das ist Thema für eine andere Diskussion. Hier geht es erst einmal um Kartographie.

Die vorgestellten und hier diskutierten Illustrationen sind die folgenden (gestaltet von Bernelle Verster, CC-BY-SA 4.0):

Offizielles SotM 2020 T-shirt-Design

Offizielles SotM 2020 Aufkleber-Design

Die Karten-Projektionen

Zunächst einmal ist es erfrischend zu sehen, dass keine dieser Illustrationen eine Mercator-Karte verwendet. Das ist vielversprechend und vorbildlich, wenn man die überwältigende Dominanz der Mercator-Projektion in der OpenStreetMap-Welt bedenkt wo die Erde im Grunde ein Quadrat ist und die große Mehrheit der Leute, welche Karten produzieren, wie auch eine große Mehrheit der OSM-spezifischen Tools zur Karten-Produktion nichts anderes kennen.

Was für Karten-Projektionen hat man also hier gewählt? Die erste Illustration verwendet eine Dymaxion- oder Airocean-Projektion. Dies ist eine Variante der Klasse der ikosaedrischen Projektionen, welche die näherungsweise kugelförmige Erdoberfläche auf einen Ikosaeder abbilden und diesen dann in irgendeiner Weise aufschneiden, um eine flache Karte zu produzieren.

Einfache ikosaedrische Projektion

Die Dymaxion-Projektion ist ein bisschen komplizierter als die einfache ikosaedrische Projektion dadurch, dass an einigen Stellen der Ikosaeder nicht an den Kanten, sondern durch die Flächen aufgeschnitten wird. In Kombination mit einer optimierten Ausrichtung des Ikosaeders, erlaubt diese Abbildung die zusammenhängende Darstellung der Landmassen der Erde ohne dass größere Landflächen geschnitten werden bei gleichzeitig recht geringer Verzerrung bei der eigentlichen Abbildung der Kugeloberfläche auf die Seiten des Ikosaeders, was insgesamt zu einer Karte mit recht geringen Verzerrungen führt.

Die Dymaxion-Projektion

Diese Projektion hat auch eine andere besondere Eigenschaft, es handelt sich um eine unterbrochene Abbildung, bei der der Rand in seiner Gesamtlänge deutlich länger ist als der halbe Erdumfang. Es gibt noch andere, weiter verbreitete unterbrochene Abbildungen wie die folgende.

Beispiel einer anderen unterbrochenen Abbildung

Der Vorteil solcher Unterbrechungen liegt darin, dass sie es erlauben, innerhalb der nicht unterbrochenen Teile geringen Maßstabs- mit geringer Form-Verzerrung zu verbinden. Der Nachteil besteht jedoch darin, dass man Beziehungen über die Unterbrechungen hinweg in der Karte nicht ordentlich darstellen kann. Im Fall der Dymaxion-Projektion sind die Unterbrechungen über dem Meer platziert und so lange der Kartennutzer sich nur für das Land interessiert, ist das kein Problem. Zusammenhänge wie die räumliche Nähe zwischen Afrika und Südamerika über den Atlantischen Ozean hinweg jedoch sind nicht zu erkennen.

Eine andere wichtige Eigenschaft dieser Projektion ist, dass die Karte in keiner Form an der Rotationsachse der Erde ausgerichtet ist. Manche sehen darin einen Vorteil, denn sie meinen, dass die Kugelgestalt der Erde keine Vorzugsrichtung in der Darstellung rechtfertigt. Dies jedoch vernachlässigt die Tatsache, dass die Rotation der Erde um ihre Achse von fundamentaler Bedeutung für den Planeten ist und eine Kartenprojektion, welche dies nicht berücksichtigt, ist schlecht geeignet, um zum Beispiel Klimazonen oder andere Phänomene im Zusammenhang mit der Erdrotation zu illustrieren.

Für das Logo einer Konferenz in Südafrika ist diese Projektion eine interessante Wahl, denn Südafrika ist ziemlich an der Periferie der Dymaxion-Karte gelegen – gegenüberliegend zur Hauptachse der Karte, welche durch den Rand des Pazifischen Ozeans gebildet wird. Ich bin mir nicht sicher, ob dies eine bewusste Entscheidung bei der Wahl der Projektion war, aber in gewisser Hinsicht zelebriert die Dymaxion-Karte recht prominent die ausgezeichnete Position des südlichen Afrikas auf der Erde.

Es gibt in der konkreten Gestaltung der Karte für das T-shirt-Design eine Reihe von Merkwürdigkeiten. Eine davon ist eine Phantom-Insel im Pazifischen Ozean westlich der Galapagos-Inseln, welche in der realen Welt nicht existiert. Eine andere ist die falsche Platzierung der Kerguelen-Insel am oberen Rand der Karte in etwa nur der Hälfte des Abstands von Australien im Vergleich zur wirklichen Position.


Die Illustration für den Aufkleber wählt, was die Karten-Projektion angeht, einen völlig anderen Ansatz und verwendet eine orthographische Projektion mit Südafrika in der Mitte. Dies entspricht im Grunde dem Erscheinungsbild der Erde aus unendlicher Entfernung über dieser Position. Diese Darstellung zeigt logischerweise nur die Hälfte des Planeten – was für Leute aus Nordamerika insbesondere etwas ärgerlich sein mag.

Als zusätzliche Besonderheit verwendet die Karte eine Orientierung mit Süden in etwa oben – hierdurch wird die Antarktis in etwa dort platziert, wo das Logo die Karte überdeckt.

Fallstricke bei der Generalisierung

Die Aufkleber-Karte bringt mich dann auch zum zweiten Thema dieses Beitrags – den Fallstricken bei der kartographischen Generalisierung für die Gestaltung von Karten wie dieser. Das Problem, mit dem man hier konfrontiert ist, liegt darin, dass man für ein T-shirt oder einen Aufkleber nicht eine übertrieben detailreiche Karte haben möchte, sondern eine klare Darstellung wo die Formen in der Karte gut wiedererkennbar sein sollen. Dies ist eine Standard-Aufgabe für die kartographischen Generalisierung, jedoch werden Karten wie diese leider in den seltensten Fällen von Kartographen gestaltet. Das offensichtlichste Problem mit der Generalisierung hier besteht darin, dass das Rote Meer, das Mittelmeer und das Schwarze Meer in der Aufkleber-Karte kurzerhand zu Seen degradiert wurden. Das ist ein großer Fauxpas in der Kartographie (auch wenn man leider sehen muss, dass dies auch in interaktiven Online-Karten auftritt, welche halt oft von Software-Entwicklern gestaltet werden ohne ausreichende kartographische Erfahrung).

Ein anderes Problem – welches leider auch ansonsten in kleinmaßstäblichen Karten verbreitet ist – besteht in der Inkonsistenz darin, welche Inseln auf der Karte gezeigt werden und welche nicht. Die Dymaxion-Karte zeigt Hawaii, Galapagos und sogar die südlichen Orkneyinseln, jedoch weder die Falkland-Inseln, die kleinen Sunda-Inseln oder Neukaledonien.

Keine der beiden Karten verwendet anscheinend OpenStreetMap-Daten als Grundlage – was natürlich ein bisschen ironisch ist für eine OpenStreetMap-Konferenz. Die beiden Karten scheinen sogar unterschiedliche Datengrundlagen zu verwenden, was in der Antarktis sichtbar ist, wo die Dymaxion-Karte das Ross-Schelfeis nicht darstellt, das Filchner-Ronne-Schelfeis jedoch schon, während dies bei der Aufkleber-Karte genau andersherum ist. Ich hoffe, dass dies deutlich macht, warum die Auswahl von Datenquellen und die Verwendung genauer Daten von bekannter und konsistenter Qualität nichts ist, worauf man für kleinmaßstäbliche Darstellungen einfach so verzichten kann. Obwohl dies bereits in vor-digitalen Zeiten gängige Praxis war, ist die Wahl von möglicherweise Jahrzehnte alten Daten unbekannter Herkunft aus Bequemlichkeit, weil sie für den Anwendungszweck bereits geeignet vorverarbeitet wurden, selten eine gute Idee und führt oft zur Replikation von Fehlern.

Inkonsistente Darstellung der Antarktis in beiden Karten

Um zu demonstrieren, dass sich die Darstellungen in den diskutierten Punkten verbessern lassen, habe ich von beiden Illustrationen alternative Versionen produziert. Man kann die unterhalb ansehen und herunterladen. Alle unter CC-BY-SA-Lizenz wie die Originale. Unter Verwendung von ODbL-OpenStreetMap-Daten.

Die Projektion beim Aufkleber ist – obwohl sehr ähnlich – nicht exakt identisch und bei T-shirt gibt es mehrere Version mit unterschiedlichen Generalisierungsgraden und Gestaltungen der Küstenlinie. Wer diese weiter individualisieren möchte, kann das gerne tun.

Ich hoffe, dass sowohl die Diskussion der Probleme in den Karten dieser Illustrationen als auch die Demonstration von Verbesserungen Designern helfen, besser zu verstehen, dass Qualität in der kartographischen Arbeit der Kern von Qualität in jeder Art von Grafik-Design ist, welches Karten verwendet. Vielleicht helfen die hier diskutierten Beispiele den interessierten Lesern dabei, einen besseren Blick dafür zu entwickeln, was Qualität in der Kartographie insbesondere bei kleinen Maßstäben bedeutet.

Aufkleber-Gestaltung mit besserer Generalisierung der Küstenlinie auf Grundlage von OSM-Daten (SVG)

Nur die Karte ohne Logo und Text

T-shirt-Design mit verbesserter Generalisierung – Version mit wenig Details (SVG)

T-shirt-Design mit verbesserter Generalisierung – Version mit mehr Details (SVG)

T-shirt-Design mit verbesserter Generalisierung – Version mit Farbfüllung (SVG)

Dies sind natürlich auch Beispiele für die Arbeiten zu Kartengestaltung und Generalisierung von Geodaten, die ich anbiete. Wer Bedarf in diesem Bereich hat, kann mich gerne kontaktieren.

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