Ich bin zurück aus Mailand (aus dem warmen Norditalien in ein ähnlich warmes Süddeutschland) und bin weitgehend fertig damit, die Videos der Vorträge, die ich auf der Konferenz verpasst habe, durchzusehen. Auf dieser Grundlage hier eine kurze Zusammenfassung. Ich werde vielleicht zu einzelnen Themen später noch konkreter etwas schreiben.
Zunächst etwas Statistik zu den Besuchern auf Basis der Besucherliste – was nicht ganz zuverlässig ist, denn diese spiegelt nicht exakt wieder, wer tatsächlich auf der Konferenz war und der Company Name ist lediglich ein Freiform-Feld. Eine Anmerkung für die SotM-WG: Veröffentlicht die Besucherliste doch bitte nicht in Form eines entsetzlich unstrukturierten PDFs. Das hindert Google nicht daran, die Daten abzugreifen und es macht die Analyse hier deutlich schwieriger. Ich würde es auch für eine gute Idee halten, in der Zukunft bei der Registrierung ein paar zusätzliche Informationen zu statistischen Zwecken abzufragen, denn das würde recht nützliche Einblicke in die Besucher-Struktur der Konferenz erlauben.
Es gab laut Liste 355 vorher angemeldete Besucher wovon 209 einen Unternehmens-Nahmen angegeben hatten (nach Entfernen einiger offensichtlicher Fehl-Interpretationen des Feldes). Das sind etwa 60 Prozent. Wie gesagt ist dies nicht wirklich zuverlässig aber deutet dennoch ziemlich klar darauf hin, dass die Mehrheit der Teilnehmer die SotM entweder beruflich besuchen oder dass ihr Besuch von einer Organisation bezahlt wird.
Die Unternehmen und Organisationen mit der größten Zahl an Besuchern waren:
Telenav: 8
Facebook: 7
Mapbox: 7
Microsoft: 5
Grab: 5
Heidelberg Institute for Geoinformation Technology: 5
HOT: 5
Politecnico di Milano: 4
MapAction: 4
Die geographische Verteilung der Besucher entsprechend ihrer Herkunft sieht folgendermaßen aus:
Natürlicherweise gab es aus Ländern mit kurzer Anreise die größten Zahlen an privaten Besuchern. Von den 66 Besuchern aus Italien hatten nur 30 einen Unternehmens-Namen angegeben. Von den 58 aus Deutschland waren es 25. Aus den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite waren es 35 von 47. Wie gesagt ist die Genauigkeit dieser Zahlen begrenzt, es ist jedoch recht plausibel, dass bei einer weiten und teuren Anreise zur Konferenz die Wahrscheinlichkeit, dass jemand, der OSM als Hobby betreibt, dies auf sich nimmt, deutlich sinkt. Dies scheint mir auch durch die Gespräche, die ich geführt habe, bestätigt, denn bei Gesprächen mit Leuten von außerhalb Europas gab es in den meisten Fällen entweder einen geschäftlichen Bezug oder eine Beteiligung an einem Projekt, die über ein Hobby hinaus geht.
Die Stipendien
Es gäbe vermutlich eine Menge zu dem Stipendien-Programm der OSMF zu sagen, bis jetzt ist jedoch die einzige Information dazu, die ich habe, das was im Programm-Heft gedruckt ist, und das ist die Liste der Namen der 17 Stipendiaten.
Das Programm
Wie ich schon im Beitrag vor der Konferenz geschrieben habe, war das Vortrags-Programm für mich nicht von besonderem Interesse. Es gab keinen Vortrag, den ich unbedingt sehen wollte und nachdem ich jetzt den größten Teil der Vorträge, die ich verpasst hatte, auf Video gesehen habe scheint mir dieser Eindruck bestätigt. Dies bedeutet in keiner Weise, dass die Vorträge schlecht waren oder komplett uninteressant für mich – keineswegs. Aber ich habe mich nicht darauf konzentriert, so viele Vorträge wie möglich zusehen, sondern stattdessen mehr Zeit darin investiert, mit Leuten zu reden. Das ist ein bisschen ein Dilemma, denn natürlich ist ein Vortrag auch ein guter Ansatzpunkt, mit jemandem ins Gespräch zu kommen.
Da nicht alle Vorträge in allen Räumen aufgezeichnet worden sind hab ich natürlich auch eine Reihe von Vorträgen verpasst ohne die Gelegenheit, sie später noch anzuschauen. Ich hoffe allerdings, dass es zumindest eine mehr oder weniger vollständige Sammlung der Präsentationen gibt. Wer einen Vortrag gehalten hat und die Präsentation noch nicht an die Organisatoren geschickt hat, sollte dies tun.
Leute treffen
Wie bereits angedeutet war mein Ziel bei der Konferenz hauptsächlich, Leute zu treffen und mit ihnen zu reden. Es gab dazu gute Gelegenheiten obwohl es bei mehr als 350 Leuten natürlich auch viele Fälle gab, wo man sich über alle drei Tage nicht getroffen hat, weil man sich schlicht und einfach nie über den Weg gelaufen ist. Etwas, was bemerkenswert gut funktioniert hat ist, wenn eine dritte Person, die beide kennt, Leute einander vorstellt. Christine Karch insbesondere war hierbei sehr eifrig. Ich kann diesen Ansatz sehr empfehlen – wer interessiert daran ist jemanden anderes zu treffen, jedoch entweder Bedenken hat, diese Person einfach anzusprechen oder sie einfach nicht findet, weil man nicht weiß, wie sie aussieht, kann man einfach jemand anderes Fragen, der beide Personen kennt und die Vorstellung übernimmt. Dies kann auch dabei helfen, Sprach-Barrieren zu überbrücken, indem der oder die Vorstellende ein bisschen übersetzt.
Ich habe mich insbesondere über die Treffen und Gespräche mit Dorothea Kazazi, Martin Koppenhoefer, Nicolas Chavent und Rafael Avila Coya gefreut – welche ich alle vorher noch nicht persönlich kennengelernt hatte – ebenso habe ich aber natürlich auch viele andere getroffen, die ich schon kannte.
Die Abendveranstaltung
Der Ort der Abendveranstaltung war recht schön und das Essen war gut, dennoch war diese für eine OSM-Konferenz aus mehreren Gründen nicht ganz optimal:
- Die Zugangs-Voraussetzungen des Lokals (konkret die Anforderung, dass die Besucher Schuhe tragen und dass man keine größeren Taschen mit hinein nehmen durfte, sondern sie am Eingang abgeben musste) wären etwas gewesen, was die Organisatoren vorher hätten ankündigen sollen. Ein Besucher aus Deutschland, der routinemäßig barfuß unterwegs war und an dem Abend keine Schuhe dabei hatte, wurde abgewiesen und viele hatten Bedenken, ihre Taschen mit wertvollem Inhalt wie Laptops und Kameras am Eingang abzugeben.
- Für die meisten Teilnehmer ist die Abendveranstaltung primär eine Gelegenheit, mit anderen Besuchern der Konferenz zu reden. Die Musik wurde jedoch mit der Zeit immer lauter so dass es später am Abend recht schwierig wurde, sich noch zu unterhalten.
Die Auszeichnungen
Da ich etwas unerwartet eine Auszeichnungen für einflussreiches Schreiben erhalten habe (sorry Anonymaps) scheint es mir etwas undankbar, diesen Teil zu kritisieren – ich mach das jedoch trotzdem hier. Neben dem alten und schwer lösbaren Problem der Bevorzugung englischsprachiger Aktivitäten, welches ich bereits früher schon erwähnt habe sehe ich auch ein nachhaltiges Problem mit der Kategorie Innovation, wo dieses Jahr meiner Ansicht nach Niemand von den nominierten die Kriterien für das erfüllt hat, was ich Innovation nennen würde. Dies war in den vergangenen Jahren ähnlich. Ich würde vermutlich diese Preis-Kategorie schlicht und einfach streichen. Die Auszeichnungen in ihrer jetzigen Form sind im Grunde ein Popularitäts-Wettbewerb und Popularität und Innovation sind einfach Dinge, die normalerweise nicht unbedingt Hand in Hand gehen. Innovationen werden meist, wenn überhaupt, erst lange nachdem sie ursprünglich entwickelt wurden, populär und die Auszeichnungen auf der SotM beziehen sich immer auf das vergangene Jahr.
Ich würde daneben folgende weiteren Änderungen vorschlagen:
- Die Nominierung auf Einzelpersonen und kleine Gruppen zu beschränken, deren Mitglieder individuell identifizierbar sind.
- Eine ‘none of the above’-Option bei der Abstimmung einführen und den jeweiligen Preis nicht vergeben, wenn diese Option die meistern Stimmen erhält.
In jedem Fall gratuliere ich allen anderen Gewinnern welche ich abgesehen von der meiner Meinung nach falschen Kategorisierung bei den Innovationen alle für verdiente Empfänger der Auszeichnungen halte – was allerdings nicht bedeutet, dass die übrigen Nominierten in jedem Fall weniger qualifiziert waren. Wir haben uns zum Beispiel alle köstlich amüsiert darüber, dass Simon Poole mit einer Stimme Abstand gegenüber Richard Fairhurst unterlegen war, nachdem er im Vorfeld eine Wahlempfehlung für Richard abgegeben hatte.
Das nächste Jahr
In meinem Kommentar vor der Konferenz habe ich geschrieben, dass es unwahrscheinlich ist, dass die SotM in der näheren Zukunft wieder so nahe bei mir stattfindet wie dieses Jahr – so wie es scheint lag ich damit falsch. Heidelberg ist für mich natürlich recht bequem, es deutet jedoch auch stark einen Trend an, dass die SotM sich wieder mehr auf Europa konzentriert – mit dann drei der vier letzten Konferenz-Orte in Europa. Dies steht im Kontrast mit den vier Jahren davor, wo drei von vier Orten außerhalb von Europa lagen – gewissermaßen als Kompensation für die ersten vier Jahre, wo alle Konferenzen in Europa stattfanden.
Ein paar allgemeine Gedanken zur Konferenz
Für mich persönlich war der SotM-Besuch eine angenehme Erfahrung. Ich habe jedoch kein gutes Gefühl mit dem Anspruch der SotM, eine Konferenz für die gesamte OSM-Community zu sein. Dies entspricht nämlich meinem Eindruck nach klar nicht der Realität. Bedenkt man die Größe und Vielfalt der OSM-Community ist dieser Anspruch natürlich auch recht unrealistisch, zu versuchen, diese Illusion aufrecht zu erhalten steht jedoch meiner Ansicht nach einer produktiven Weiterentwicklung der OSM-Konferenzen in eine Richtung, die nachhaltig und produktiv das Projekt unterstützt, im Wege.
Praktisch besteht die SotM im Grunde aus drei Gruppen von Leuten:
- Die professionellen Besucher, welche die Konferenz als Teil ihrer beruflichen Tätigkeit besuchen.
- Der internationale OSM Jetset, bestehend aus recht wohlhabenden Aktiven, für welche OSM ein Hobby ist und die in der Lage und gewillt sind, die Kosten für einen Konferenz-Besuch aus eigener Tasche zu bezahlen.
- Die Mitglieder der lokalen Communities in der Nähe des Konferenz-Ortes.
Alle anderen, insbesondere lokale Mapper und übrige Aktive von anderswo, sind realistischerweise nicht auf der Konferenz vertreten – auch wenn Stipendien eventuell ein paar Einzelne ergänzen. Niemand sollte den Fehler machen anzunehmen, dass die Besucher der SotM oder der nicht berufliche Teil von ihnen auch nur ansatzweise die globale OSM-Community repräsentieren.
Das Hauptproblem bei der Planung der SotM-Konferenz scheint es zu sein, die Interessen dieser drei Gruppen auszubalancieren. Schon vor meinem Besuch dieses Jahr war mein Eindruck, dass das Gewicht der dritten Gruppe verstärkt werden sollte und dass es optimal wäre, den Veranstaltungsort vielfältig und weltweit zu variieren – eventuell sogar dahingehend, dass man gar keine separate internationale Konferenz veranstaltet, sondern sich jedes Jahr an eine regionale Konferenz anhängt und diese mit besonderer Unterstützung bedenkt. Aber da von den drei genannten Gruppen die dritte auch recht klar die mit dem geringsten Einfluss ist, habe ich nicht den Eindruck, dass eine solche Entwicklung recht wahrscheinlich ist.
12. August 2018 um 10:20 Uhr
Du hast es eh schon richtig erkannt, die Sotm ist eher eine elitäre, blasierte Veranstaltung, die das “gemeine Mappervolk” in keinster Weise räpresentiert. Es ist eine Ansammlung an GIS Experten die von Mapbox und Facebook losgeschickt werden und an alten, weißen Männern aus dem obersten Elfenbeinturm der OSM Welt. Sehr bezeichnend ist, dass gerade diese Elite auch immer wieder bei den OSM Awards abräumt, auch heuer wieder. Und auch in diesem Punkt hast du recht. Mit Innovation haben die wenig zu tun, es ist eher ein Popularitätswettbewerb, eine pseudodemokratische Bestätigung für die Einwohner des Elfenbeinturms.
Natürlich trage ich meine Kritik ziemlich überspitzt hier vor, aber genau das wurde an OSM schon öfters kritisiert. Dass im Kern, an der Spitze, die Offenheit, Diversität und Freiheit fehlt, weil eben immer die gleiche Kaste diese Plätze besetzt. Sie haben ihr Hobby zum Beruf gemacht, haben lukrative Firmen rund um OSM gegründet und verdienen sich nun eine goldene Nase bei der kommerziellen Aufbereitung der Community-Daten. Und unten, ganz an der Basis sitzt der kleine “neuzeitliche Bauersknecht”, gefangen im Feudalsystem “Crowdsourcing” der aufwendig Straßen und Gebäude nachzeichnet…
12. August 2018 um 20:36 Uhr
Dass die SotM dieses Jahr eine elitäre Veranstaltung war kann ich ausdrücklich nicht bestätigen. Ich würde sogar sagen, dass ich bei einer kritischen Betrachtung die Vorträge in einigen Fällen als eher mit ein bisschen zu wenig Anspruch und Tiefe und praktisch in keinem Fall als zu abgehoben beurteilen würde.
Auch bei den Awards muss ich sagen, dass es dieses Jahr positiv auffällt, dass recht wenig Mitarbeiter von Unternehmen für ihre bezahlte Tätigkeit nominiert und vor allem ausgezeichnet wurden. Dass Mapping und damit verbundene Tätigkeiten hier zu kurz kommen steht auf einem anderen Blatt. Da die Awards aber gerade etwas sind, was keine Anwesenheit auf der SotM erfordert, müssen sich Mapper, die sich mehr Berücksichtigung ihres Tätigkeitsfeldes wünschen, hier auch etwas an die eigene Nase fassen – sich zu engagieren, die Awards zu verbessern, steht jedem offen.
Dass die Besucher der SotM nicht repräsentativ für die OSM-Community sind bedeutet nicht, dass die Veranstaltung an sich irgendwie verwerflich oder schlecht ist. Der nicht erfüllte Anspruch ist das Problem.