Derzeit ist OpenStreetMap ein recht populäres Thema für Studien im Bereich der Sozialwissenschaften und Geoinformatik. Es werden eine Menge Dinge dazu veröffentlicht und der Begriff „VGI“ (volunteered geographic information) ist eine recht beliebte Phrase in diesem Zusammenhang – es scheint fast zu einer festen Anforderung an wissenschaftliche Veröffentlichungen zu OpenStreetMap geworden zu sein, von „VGI“ zu sprechen. Fast immer ist dies im Endeffekt ein Code für OpenStreetMap – die Idee dabei ist, dass indem man einen generischen Begriff verwendet die Ergebnisse eine umfassendere Bedeutung bekommen als wenn man nur über OpenStreetMap schreibt. Funktionieren tut das im Grunde fast nie, denn entweder geht es nur um OpenStreetMap und nicht auch um irgendwelche anderen mit „VGI“ titulierten Projekte oder OpenStreetMap wird mit anderen, deutlich anders strukturierten „crown sourced data“-Projekten in einen Topf geschmissen, üblicherweise ohne die Unterschiede zu thematisieren.
Auch für sich genommen ist „VGI“ ein ziemlich fragwürdiges Konzept:
- Der Begriff „volunteered“ bringt die Frage mit, was hierdurch als Besonderheit herausgestellt werden soll, also was „non-volunteered geographic information“ sein soll. Auch stellt sich die Frage, in welcher Hinsicht die Daten in OpenStreetMap eher als „volunteered“ gelten sollen als die Daten in anderen geographischen Datenbanken. Es ist unklar, wer bei OpenStreetMap was im Sinne von „volunteered“ anbietet oder freiwillig zur Verfügung stellt, wenn ein bezahlter Mapper beispielsweise nach Satellitenbildern Dinge erfasst. Ist es der Mapper, der Satellitenbild-Dienst, den er verwendet oder der Satellitenbetreiber, von dem die Bilder stammen?
- Die Verwendung des Begriffs „information“ verstärkt diese Unklarheit, denn er bezieht sich speziell auf die semantische Bedeutung der Geodaten und nicht auf die konkrete Repräsentation in der Datenbank.
- Damit man tatsächlich substantiell Informationen anbieten/zur Verfügung stellen kann („to volunteer information“) müsste es sich eigentlich um private, vertrauliche Informationen handeln – wie zum Beispiel Details aus dem eigenen Garten oder von innerhalb einer Wohnung, die nur einem selbst zugänglich sind. Eines der Kern-Prinzipien von OpenStreetMap ist jedoch die Überprüfbarkeit der Daten – Informationen sind also entweder im Grunde nicht geeignet für OSM oder sie sind nicht wirklich „volunteered“, denn sie sind auch für andere frei zugänglich, so dass der Mapper sie höchstens „voluntarily“ (also freiwillig) in die OSM-Datenbank eingetragen hat (wobei sich wieder die Frage stellt, wie das auch „non-voluntarily“ sein kann). Also gewissermaßen ist der Begriff damit recht abwertend für OpenStreetMap, denn er würdigt nicht das Prinzip der Überprüfbarkeit.
Obwohl ich nicht sicher bin, ob das bei der Schaffung des Begriffes „VGI“ eine Rolle spielte, unterstreicht dieser deutlich die Idee, das Informationen Eingentum sein können und im Allgemeinen auch sind und diese nur dann zu freien Informationen werden, wenn der Eigentümer sie zur Verfügung stellt („to volunteer“). Dies ist im Grunde diametral entgegengesetzt zur Kernidee hinter dem OpenStreetMap-Projekt, nämlich Informationen in einer offenen Datenbank zu sammeln, die inherent frei sind, da sie von jedem unabhängig überprüft werden können.
Wer also einen prägnanten Begriff sucht, sollte vielleicht lieber etwas wie „crowd sourced geodata“ wählen, das dürfte im Allgemeinen passender sein. Grundsätzlich ist es jedoch sinnvoll, gut darüber nachzudenken, ob hier ein generischer Begriff wirklich sinnvoll ist.