Imagico.de

blog

Twenty years OpenStreetMap - revisiting observations and predictions
Twenty years OpenStreetMap - revisiting observations and predictions

Zwanzig Jahre OpenStreetMap – ein Rückblick auf Beobachtungen und Vorhersagen

| 4 Kommentare

Vor fünf Jahren schrieb ich über den 15. Jahrestag von OSM und meinen Ausblick auf die nächsten fünfzehn Jahre. Jetzt haben wir den 20. Jahrestag. Es ist noch etwas früh, um meine Vorhersagen zu überprüfen (es ist gerade einmal ein Drittel der Zeitspanne vergangen) – dennoch möchte ich einige der Themen, über die ich vor fünf Jahren nachgedacht habe, erneut betrachten.

Mein großes Thema zum 15. Jahrestag war die Idee, dass es in Zukunft zu einer Trennung zwischen der ursprünglichen Kernidee von OpenStreetMap, dem Austausch und der Kommunikation von lokalem geographischem Wissen durch eine kulturübergreifende Gemeinschaft von Mappern mittels egalitärer, selbstbestimmte Zusammenarbeit und dem Projekt mit dem Namen OpenStreetMap kommen könnte.

Dieses Szenario setzte sich aus zwei Komponenten zusammen:

  • die (damals zunehmend sichtbare) Tendenz von OpenStreetMap, sich von den grundlegenden Ideen und Werten zu entfernen, auf denen es aufgebaut war.
  • die Möglichkeit, dass diese Entwicklung dazu führen könnte, dass Menschen ihr geografisches Wissen zunehmend über Mittel außerhalb von OpenStreetMap teilen und austauschen.

Ich möchte beide Teile hier ein wenig aus der etwas anderen Perspektive betrachten, die ich heute, fünf Jahre später, habe.

OpenStreetMap im Wandel

Dabei wurde meine Hypothese, dass OpenStreetMap sich – im Großen und Ganzen – deutlich von seinen ursprünglichen Ideen und Werten entfernt, vor allem durch die beobachtbaren Trends in der Kartierung gestützt, dass die Daten in OpenStreetMap sowie die vorgenommenen Bearbeitungen zunehmend nicht mehr auf dem persönlichen lokalen Wissen der Leute, die die Bearbeitungen vornehmen, und ihrem eigenen, intrinsischen Wunsch, dieses Wissen zu teilen, basieren. Heute, fünf Jahre später, scheint mir klar zu sein, dass sich dieser Trend nicht umgekehrt hat, aber ich habe auch den Eindruck, dass er sich nicht beschleunigt hat. OpenStreetMap zieht nach wie vor Mapper an, die ihr lokales geografisches Wissen teilen, und es ist gut zu sehen, dass dies mit einer breiteren geografischen und kulturellen Verteilung geschieht. Das Hinzufügen von Daten in großem Umfang und die systematische Bearbeitung von Datenmengen, die nicht durch lokales geografisches Wissen gestützt werden, haben ebenfalls erheblich zugenommen – daher gibt es keine Trendwende. Aber man kann nicht sagen, dass sie die auf lokalem Wissen basierende Kartierung derzeit wesentlich weiter verdrängen. Oder mit anderen Worten: Man könnte sagen, die Situation hat sich ein wenig stabilisiert.

So viel zur eigentlichen Entwicklung der Kartierung in OpenStreetMap. Ganz anders sieht es aus, wenn man sich anschaut, wie OpenStreetMap in der Öffentlichkeit kommuniziert wird und damit auch, wie die breite Öffentlichkeit OpenStreetMap heute wahrnimmt. Damit ist die öffentliche Kommunikation durch einzelne Community-Mitglieder, durch die OpenStreetMap Foundation sowie – und das ist wohl der größte Teil – durch Drittorganisationen gemeint, seien es Unternehmen aller Größenordnungen, öffentliche Einrichtungen oder andere Organisationen aller Art.

Betrachtet man die öffentliche Kommunikation über OpenStreetMap in diesen Tagen, so fehlen dort die traditionellen Ideale und Werte von OpenStreetMap fast vollständig. Man findet sie in der Kommunikation einzelner Community-Mitglieder ohne Organisationszugehörigkeit sowie in einigen akademischen Studien aus dem Bereich der Sozialwissenschaften. Aber die überwiegende Mehrheit der organisatorischen Kommunikation über OpenStreetMap (und das ist es, was die größte Reichweite hat) stellt OpenStreetMap heutzutage als eine Sammlung nützlicher Geodaten dar, die größtenteils von Freiwilligen produziert wird (wobei Freiwillige hier unbezahlte Arbeitskräfte bedeutet und weder lokales Wissen noch Selbstbestimmung darüber impliziert, was sie kartieren und wie sie es kartieren).

Die jüngere öffentliche Kommunikation der OpenStreetMap Foundation ist ein gutes Beispiel dafür – die zum 20-jährigen Jubiläum erstellte Seite beschreibt OpenStreetMap genau in diesem Sinne.

Normalerweise würde man erwarten, dass ein solch klarer und fast durchgängiger Trend in der öffentlichen Kommunikation dazu führt, dass die Mapper dieses Framing von OpenStreetMap zunehmend verinnerlichen. Interessanterweise scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Wie bereits erwähnt, rekrutiert OpenStreetMap heutzutage immer wieder neue Mapper, die auf traditionelle Weise kartieren und ihr lokales Wissen über die Gebiete um sie herum in selbstbestimmter Weise und in egalitärer Zusammenarbeit mit den anderen Mappern um sie herum teilen. Sie müssen dies entweder gelernt haben

  • aus noch existierenden alten Unterlagen
  • von anderen Mappern durch Nachahmung/direkte Kommunikation
  • von ihrer lokalen Gemeinschaft durch dezentrale Kommunikation in kleinen Gruppen
  • durch ihren eigenen Bootstrapping-Prozess als den Weg, Mapping auf eine Weise anzugehen, die ihnen natürlich erscheint.

Dass dies möglich ist und praktisch in großem Umfang geschieht, obwohl die organisierte öffentliche Kommunikation in den meisten Fällen ein ganz anderes Bild von OpenStreetMap zeichnet, ist ein sehr positiver Trend.

Die Trennung

Das zweite Element meiner alten Vorhersage von vor fünf Jahren war die Idee, dass die Leute, die die ursprüngliche Idee von OpenStreetMap, nämlich das kooperative Sammeln und Teilen von lokalem Wissen, schätzen, dazu übergehen könnten, dies zunehmend außerhalb von OpenStreetMap zu tun. Bislang ist noch nicht viel Konkretes in diese Richtung zu erkennen. Und, wie bereits erwähnt, scheinen die traditionellen Mapping-Werte bei der praktischen Kartierung in OpenStreetMap derzeit erstaunlich stark zu sein.

Das deutet jedoch darauf hin – und das ist etwas anderes als das, was ich vor fünf Jahren diskutiert habe – dass es innerhalb von OpenStreetMap eine wachsende Diskrepanz gibt zwischen der Art und Weise, wie praktisches Mapping und die sozialen Interaktionen, die es ermöglichen, tatsächlich stattfinden, und der Wahrnehmung von OpenStreetMap und Mapping in der organisatorischen Welt um OpenStreetMap herum.

Es ist am besten, dieses Schisma nicht als eine vollständige Trennung von Kommunikationsblasen zu sehen, bei der die eine von der anderen völlig abgekoppelt ist, sondern eher als eine starke kulturelle Kluft.

Ob diese Spaltung der Vorläufer einer echten Trennung ist, wie ich sie in der Vergangenheit diskutiert habe, oder ob sie ein stabiler Weg sein kann, die sozialen Notwendigkeiten einer kulturübergreifenden Zusammenarbeit in Form der traditionellen Werte der Kartierung mit den wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Kapitalismus zu verbinden, ist noch nicht entschieden. Es wird wohl wesentlich davon abhängen, ob die Menschen auf der organisatorischen Seite der Spaltung genügend Respekt und Wertschätzung für die sozialen Notwendigkeiten auf der anderen Seite entwickeln. Ich bin hier skeptisch (wie wahrscheinlich viele meiner Leser). Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass in vielen Organisationen rund um OpenStreetMap viele kluge Leute arbeiten, die prinzipiell in der Lage sind, diese fragilen Zusammenhänge zu verstehen und entsprechend in der Lage sind, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen. Die Frage wird sein: Werden sie das tun?

Ein Experiment in sozialer Kooperation

Die ultimative langfristige Frage (und langfristig bedeutet hier, dass diese Angelegenheit nicht in einem Zeitrahmen von 15 oder 20 Jahren zuverlässig bestimmt werden kann) ist, ob die kooperative Sammlung von lokalem geografischem Wissen auf egalitäre und selbstbestimmte Weise und über Kulturgrenzen hinweg etwas ist, das in großem Maßstab funktionieren kann. Wie in den Kommentaren zu meinem Beitrag zum 15-jährigen Jubiläum angedeutet, ist dies nicht klar, auch wenn es in den letzten 20 Jahren erstaunlich gut funktioniert hat. Die Nullhypothese dazu wäre: Es geht nicht, OpenStreetMap wird zwangsläufig entweder verschwinden oder sich in eine klassische Organisation mit sozialer Hierarchie verwandeln (d.h. nicht-egalitär werden) – bestenfalls mit einem Rahmen von repräsentativer Demokratie irgendeiner Art.

Ich würde sehr gerne die Gedanken anderer zu dieser Frage sehen, insbesondere wenn sie von der Nullhypothese abweichen.

4 Kommentare

  1. Guten Abend.

    Als ich zu OpenStreetMap gestoßen bin, war das ein „Geil! Ich kann meine gesammelten Tracks als Straßen und Wege in eine Karte malen und diese Karte frei nutzen.“ Dass auch andere teilnehmen, war ob der schieren zu erfassenden Datenmenge klar, aber darüber hinaus bedeutungslos. Ganz im Gegenteil war es schön, ungestört in Ruhe an der Karte zu arbeiten. Wie ein Gemälde malen oder eine Modelleisenbahn bauen, dabei aber für viel mehr Menschen nützlich. Die „Gemeinschaft“ spielt da keine Rolle. Die Menschen haben mit den Füßen (bzw. den Fingern an der Tastatur) demokratisch abgestimmt: Die weit überwiegende Mehrheit der OpenStreetMap-Mitarbeiter nimmt an keinem der offiziellen Kommunikationskanäle teil.

    Da frage ich mich, wann „der Austausch und der Kommunikation von lokalem geografischem Wissen durch eine kulturübergreifende Gemeinschaft von Mappern mittels egalitärer, selbstbestimmte Zusammenarbeit“ als Kernidee von OpenStreetMap festgelegt wurde?

    > die Möglichkeit, dass diese Entwicklung dazu führen könnte, dass Menschen ihr geografisches Wissen zunehmend über Mittel außerhalb von OpenStreetMap teilen und austauschen.

    Wenn Sie die technische Infrastruktur meinen: da führt auf absehbare Zeit an der OpenStreetMap-Datenbank kein Weg vorbei, schon wegen des Netzwerkeffektes (the winner takes it all) und der Kosten des Betriebs einer Datenbank-Infrastruktur.

    (Es wäre allerdings wünschenswert, weil OpenStreetMap sich in mehreren Aspekten festgefahren hat, sich immer mehr homogenisiert (de-diversifiziert) und gleichzeitig gegen Kritik immunisiert. Die Bedrohung durch eine große Konkurrenz könnte den entscheidenden Ruck geben, sich loszurütteln und (wieder) zu einem coolen Projekt zu werden, das Menschen begeistert.)

    Wenn es um den zwischenmenschlichen Dialog im Umfeld von OpenStreetMap geht: Es war schon immer so, dass der größte Teil der Kommunikation außerhalb der OpenStreetMap-Kanäle – oder gleich gar nicht – erfolgte. Konstruktive Gespräche zu einem kritischen Thema (Wahrheitssuche) finden halt am besten und einfachsten eins zu eins unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wo man frei von der Leber weg reden kann und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss, weil es ansonsten Jahre später in einem Tribunal gegen einen verwendet werden könnte. Kritik in einer E-Mail ist etwas, worüber ich nachdenken kann und möglicherweise meine Meinung zu etwas ändern. Das ist öffentlich nicht möglich, weshalb Forendiskussionen sich so oft und immer wieder im Kreis drehen. Kennen Sie jemanden aus der OpenStreetMap-Elite, der jemals als Ergebnis einer Diskussion seine Meinung zu etwas öffentlich geändert hat? Die De-Diversifizierung wird noch mehr Diskussion aus den offiziellen Kanälen verdrängen, und die vorgeschlagene Öffentlichmachung der Direct Messages diese sinnlos machen.

    Das alles ist aber weder spezifisch für OpenStreetMap noch etwas Schlimmes.

    Schlimm wird es erst dann, wenn man, wie von Tomas unter der englischen Version kommentiert, unter dem Radar bleiben muss, um sich vor Kulturimperialismus zu schützen.

    > Aber die überwiegende Mehrheit der organisatorischen Kommunikation über OpenStreetMap (und das ist es, was die größte Reichweite hat) stellt OpenStreetMap heutzutage als eine Sammlung nützlicher Geodaten dar, die größtenteils von Freiwilligen produziert wird (wobei Freiwillige hier unbezahlte Arbeitskräfte bedeutet und weder lokales Wissen noch Selbstbestimmung darüber impliziert, was sie kartieren und wie sie es kartieren).

    Das braucht man nicht extra darzustellen. OpenStreetMap *ist* eine Sammlung nützlicher Geodaten, zu der man niederschwellig beitragen und die man frei nutzen kann (ob der schieren Datenmenge nicht ganz so niederschwellig).

    Ich habe auf meinen Wanderungen und Touren noch nicht einen einzigen Menschen gefunden, der OpenStreetMap kannte. Komoot&Co hat gefühlt jeder draußen auf seinem Wischfon oder kennt es zumindest. Und da steht in der Ecke: „Map Data © OpenStreetMap-Mitwirkende“. Nützliche Geodaten, von Mitwirkenden gesammelt. Genau das. Nur das.

    Und in der Tat kann Otto-Normal-Erfasser zwar *erfassen*, was er will (solange er den in Mitteleuropa beschlossenen Regeln folgt, egal wie unsinnig sie am anderen Ende der Welt sind, oder unter dem Radar bleibt), aber nicht *kartieren*, was er will, denn Otto-Normal-Datenerfasser hat weder Einfluss auf die Darstellung in den Karten („won’t implement, closed.“) noch kann er, solange er kein Geek ist, mal einfach so selber eine Karte erzeugen. (Ich spreche hier nicht von einer Hundekottütenspenderkarte mit Umap.)

    Also ja, „freiwillige unbezahlte Arbeitskräfte“ ohne Einfluss auf das Projekt. Die aber, so man sie in Ruhe lässt, mit Spaß bei der Sache sind. Weil es toll ist, Dinge in der Karte auftauchen zu sehen, die man gerade eingetragen hat.

    > Normalerweise würde man erwarten, dass ein solch klarer und fast durchgängiger Trend in der öffentlichen Kommunikation dazu führt, dass die Mapper dieses Framing von OpenStreetMap zunehmend verinnerlichen.

    Ein Einfluss würde voraussetzen, dass die Menschen diese öffentliche Kommunikation wahrnehmen. Die große Mehrheit interessiert sich aber nicht einmal dafür (s. o.), die sehen nur ihren Editor und die sie interessierende Karte(n).

    > Es ist am besten, dieses Schisma nicht als eine vollständige Trennung von Kommunikationsblasen zu sehen, bei der die eine von der anderen völlig abgekoppelt ist, sondern eher als eine starke kulturelle Kluft.

    Für mich klingen sowohl „Schisma“ als auch „kulturelle Kluft“ zu negativ. Es sind einfach zwei Welten, die fast nichts miteinander zu tun haben. Seien wir froh, dass die Vielen, die die eigentliche Arbeit leisten und Daten zusammentragen, egal ob unterwegs oder als Sofa-Mapper, keinen Kontakt zum öffentlich sichtbaren Teil von OpenStreetMap, den Kommunikationskanälen und den Eliten von OpenStreetMap haben oder haben wollen. Würde ich einen Mechanismus à la Clockwork Orange erfinden, der zur Teilnahme an der öffentlichen Kommunikation zwingt, könnte das beim gegenwärtigen Zustand womöglich das Ende des Projektes bedeuten.

    > Die Nullhypothese dazu wäre: Es geht nicht, OpenStreetMap wird zwangsläufig entweder verschwinden oder sich in eine klassische Organisation mit sozialer Hierarchie verwandeln (d.h. nicht-egalitär werden) – bestenfalls mit einem Rahmen von repräsentativer Demokratie irgendeiner Art.

    Ich würde die beiden Punkte „Verschwinden von OpenStreetMap“ und „soziale Hierarchie“ trennen, denn meines Erachtens haben die miteinander nichts zu tun.

    OpenStreetMap wird noch lange existieren, aber sukzessive an Bedeutung verlieren. Schon wegen der Freigabe von immer mehr Präzisionsvermessungsdaten der professionellen Vermessungsverwaltung, Laser-Scans und Luftbildern, in Verbindung mit dem immer einfacheren und kostengünstigeren Einsatz von angelernten neuronalen Netzen; wegen weiterer Datenspenden und des Wachstums von Wikidata; weil die Menschen wegen des absehbaren wirtschaftlichen Niederganges von besonders Deutschland keine Zeit mehr zum Mappen haben werden; und weil – nach 20 Jahren kein Wunder — „die Luft raus“ ist. Schauen Sie sich die Wiki-Seite „OpenStreetMap 20th Anniversary Birthday party“ an: Begeisterung sieht anders aus.

    Unabhängig davon existiert die „soziale Hierarchie“ längst. Das merkt man am deutlichsten bei Konflikten. Wenn Sie zur Oberschicht gehören, können Sie beleidigen, drohen, ja sogar im Datenbestand vandalisieren „ich revertiere sowas, ohne es zu prüfen“, ohne dass dies irgendwelche Folgen hätte, während Otto-Normal-Erfasser schon für eine harmlose Kritik wegmoderiert oder mit Sperre bedroht wird (ich spreche hier nicht von mir). Das hat aber kaum Bedeutung für das Projekt, weil die Mehrheit der Projekt-Teilnehmer dank Verzicht auf Teilnahme an den offiziellen Kanälen nichts davon mitbekommt und der große Teil der Übrigen sich damit arrangiert hat.

    Damit meine Hypothese: OpenStreetMap wird langsam, aber stetig an Bedeutung verlieren und ist bereits eine Organisation mit sozialer Hierarchie, wobei letzteres keinen Einfluss hat auf ersteres.

    Gruß Wolf

    • Danke für den Kommentar.

      Da frage ich mich, wann „der Austausch und der Kommunikation von lokalem geografischem Wissen durch eine kulturübergreifende Gemeinschaft von Mappern mittels egalitärer, selbstbestimmte Zusammenarbeit“ als Kernidee von OpenStreetMap festgelegt wurde?

      Eine (normative) Festlegung hat da nie stattgefunden. Bei dem zitierten handelt es sich um meine Beschreibung davon wie OpenStreetMap auf der sozialen Ebene im Wesentlichen funktioniert. Und diese Charakterisierung ist natürlich nicht universell anerkannt.

      Recht allgemein anerkannt ist hingegen, dass die Kommunikation zwischen Mappern in OpenStreetMap primär über das Mapping selbst, also non-verbal erfolgt und dass diese Kommunikation für das Funktionieren von OpenStreetMap auf globaler Ebene essentiell und prägend ist. Diese Erkenntnis dürfte sich recht früh verbreitet haben, spätestens nachdem sich OpenStreetMap von seinen britischen Ursprüngen zu einem internationalen Projekt entwickelt hat.

      Dass es eine ganze Menge Mapper in OSM gibt, die der sozialen Komponente des Mappens in OpenStreetMap eher gleichgültig bis ablehnend gegenüber stehen und die es oft lieber hätten, wenn sie völlig isoliert nur für sich mappen könnten, ist ein wichtiger Punkt. Ich denke, OpenStreetMap kann damit durchaus umgehen, solange (a) solche Mapper eine relativ kleinen Minderheit darstellen und (b) die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Mapper akzeptieren, also anderen die selben Rechte zubilligen, die sie für sich in Anspruch nehmen. Allerdings denke ich, dass auch solche Mapper meist intensiver an den sozialen Prozessen in OpenStreetMap beteiligt sind (aktiv wie auch passiv) als sie es sich selbst eingestehen möchten.

      Kennen Sie jemanden aus der OpenStreetMap-Elite, der jemals als Ergebnis einer Diskussion seine Meinung zu etwas öffentlich geändert hat?

      Das ist jetzt hier nicht wirklich Thema, aber bei den meisten öffentlichen Personen in OpenStreetMap kann ich eine Entwicklung von Meinungen und Haltungen beobachten – und zwar deutlich intensiver, als ich das in der Gesamtgesellschaft wahrnehme. Schwierig wird es in den Fällen, wo wirtschaftliche Interessen der Erkenntnis im Wege stehen – frei nach dem bekannten Zitat von Upton Sinclair: It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends upon his not understanding it! Dies betrifft natürlich in ganz besonderem Maße fast das gesamte Spektrum der diskutierten organisatorischen Kommunikation über OpenStreetMap.

      Damit meine Hypothese: OpenStreetMap wird langsam, aber stetig an Bedeutung verlieren und ist bereits eine Organisation mit sozialer Hierarchie, wobei letzteres keinen Einfluss hat auf ersteres.

      Mir ging es hier nicht um die Vorhersage, was aus OpenStreetMap wird, sondern um die Frage, ob OpenStreetMap als soziales Projekt auf Basis der von mir beschriebenen Grundidee langfristig tragfähig ist. Sollte dies der Fall sein, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass OpenStreetMap lange existieren wird, gerade weil es ja möglich (und sogar wahrscheinlich) ist, dass sich OpenStreetMap von diesen traditionellen Grundwerten weg entwickelt. Und umgekehrt herum bedeutet ein Ende von OpenStreetMap nicht zwingend, dass die zugrunde liegende Idee grundsätzlich scheitert.

  2. Danke für die Antwort.

    > Dass es eine ganze Menge Mapper in OSM gibt, die der sozialen Komponente des Mappens in OpenStreetMap eher gleichgültig bis ablehnend gegenüber stehen und die es oft lieber hätten, wenn sie völlig isoliert nur für sich mappen könnten, ist ein wichtiger Punkt.

    Es geht nicht um „es lieber alleine isoliert“. Natürlich guckt man sich in einer Gegend, in der man neu ist, erst einmal um, wie dort gearbeitet wird, und passt sich daran an. Jedenfalls halte ich das so. Komme ich mit einer lokalen Tagging-Praxis nicht klar, gehe ich weg. Das sehe ich aber nicht als „soziale Komponente“, sondern einfach nur als gutes Benehmen. (Ich bin auf Baustellen sozialisiert, wo bei schlechtem Benehmen schon mal ein Schraubenschlüssel fliegt.)

    Sie können problemlos zu mehreren ein Gebiet oder ein Thema bearbeiten, ohne daraus ein soziales Event zu machen.

    > Ich denke, OpenStreetMap kann damit durchaus umgehen, solange (a) solche Mapper eine relativ kleinen Minderheit darstellen

    Ich gehe davon aus, dass es nicht eine kleine Minderheit ist, sondern dass die überwiegende Mehrheit der Erfasser so arbeitet. Das mag anders aussehen, weil man sich natürlich nur mit denen unterhalten kann, die auf Kommunikationskanälen unterwegs sind. Es ließe sich aber überprüfen: Mit Zugriff auf die OpenStreetMap-Datenbanken könnte man leicht berechnen, welcher Teil der Erfasser noch nie einen der Kommunikationskanäle ML, Forum, Wiki (schreiben), Diary, Comments oder CS-Comments benutzt hat. Ich nehme an, das ist die große Mehrheit. Und draußen auf einen anderen Erfasser zu stoßen, ist eher unwahrscheinlich. Jedenfalls ist mir noch keiner begegnet.

    > (b) die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Mapper akzeptieren, also anderen die selben Rechte zubilligen, die sie für sich in Anspruch nehmen.

    Das ist selbstverständlich. (Und dies nicht zu tun, eher ein Privileg der Oberschicht. 🙁 )

    > Mir ging es hier nicht um die Vorhersage, was aus OpenStreetMap wird, sondern um die Frage, ob OpenStreetMap als soziales Projekt auf Basis der von mir beschriebenen Grundidee langfristig tragfähig ist.

    Ich formuliere meine These neu:

    OpenStreetMap ist bereits eine Organisation mit sozialer Hierarchie. Das hat aber keine Bedeutung, weil die überwiegende Mehrheit der Datenerfasser keinen Kontakt mit der Organisation hat (abgesehen von der API). Die Idee/Das soziale Experiment OpenStreetMap wird weiterbestehen, solange die Datenerfasser weitgehend in Ruhe gelassen werden (und die API bereitgestellt wird).

    (Let’s agree to not agree: Ich denke nicht, dass die von Ihnen beschriebene Grundidee eine große Bedeutung hat.)

    Gruß Wolf

    PS: Es ist wirklich schade, dass Ihre Beiträge so wenig Resonanz in der Community haben, während jeder Unfug im Forum gleich Dutzende Antworten hat. Und das trotz Erwähnung in der Wochennotiz. 🙁

    • Um das noch mal ganz klar zu stellen: Es geht hier vor allem um die Frage, ob und wie weit die soziale Interaktion zwischen Mappern durch den Akt des Mappens selbst für das Funktionieren von OpenStreetMap essentiell ist. Mir scheint, dass dies weitgehend anerkannt ist, aber es gibt durchaus Leute, die entweder der Meinung sind, dass dies niemals eine große Bedeutung hatte oder die die Bedeutung in der historischen Entwicklung von OpenStreetMap anerkennen, die aber der Meinung sind, dass dies mit dem Wachsen des Projektes zwingend durch eine zentralisierte und statifizierte soziale Struktur ersetzt werden muss.

      Diese Sichtweise scheint praktisch naheliegend, da die allermeisten größeren Projekte und Organisationen in menschlichen Gesellschaften derart strukturiert sind. Allerdings sind diese Strukturen durchgehend durch eine große kulturelle Homogenität gekennzeichnet. Ich finde deshalb vor allem die Frage interessant, ob OpenStreetMap eben auch ohne eine solche vertikal differenzierte Sozialstruktur durch egalitäre selbstbestimmte Kooperation nachhaltig mit ausschließlich horizontaler und räumlicher Differenzierung funktionieren kann.

      Und von denen, die diese Frage verneinen, wüsste ich natürlich gerne, wie OpenStreetMap auf Grundlage einer zentralisierten und statifizierten Sozialstruktur kulturübergreifend funktionieren soll, ohne dass das im Ergebnis auf ein koloniales Projekt mit kultureller Hegemonie hinausläuft (und damit seinen zentralen Anspruch einer Karte von den Menschen für die Menschen aufgeben würde).

      Das sehe ich aber nicht als „soziale Komponente“, sondern einfach nur als gutes Benehmen

      Aber ein gemeinsames Konzept von gutes Benehmen (also gemeinsame Verhaltensnormen) impliziert doch eine viel engere soziale Bindung als ich sie hier angedeutet habe.

      OpenStreetMap ist bereits eine Organisation mit sozialer Hierarchie. Das hat aber keine Bedeutung, weil die überwiegende Mehrheit der Datenerfasser keinen Kontakt mit der Organisation hat (abgesehen von der API). Die Idee/Das soziale Experiment OpenStreetMap wird weiterbestehen, solange die Datenerfasser weitgehend in Ruhe gelassen werden (und die API bereitgestellt wird).

      Das scheint mir nicht viel anders zu sein, als das Schisma, was ich beschrieben habe. Nur dass ich das, was Du hier als Zustandsbeschreibung formulierst (OpenStreetMap ist …) als Wahrnehmung einer bestimmten Gruppe charakterisiere, die im Kontrast zu der praktischen Realität des Mappens steht.

Hinterlassen Sie eine Antwort

Pflichtfelder sind mit * markiert.



Durch das Abschicken Ihres Kommentars stimmen Sie der Datenschutzrichtlinie zu und erlauben, dass die eingegebenen Informationen (mit Ausnahme der eMail-Adresse) in diesem Blog veröffentlicht werden.