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Die Essenz von OpenStreetMap

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Frederik hat gestern im deutschsprachigen OSM-Forum gefragt, was die verschiedenen Aktiven im Projekt als die Essenz von OpenStreetMap wahrnehmen (im Sinne von “Was sind die essentiellen Eigenschaften von OSM, ohne die es nicht mehr OSM wäre?”). Das ist eine sehr interessante und wichtige Frage. Und ich glaube, dass die Meinungen dazu und wie sich diese mit der Zeit entwickeln sehr viel über den Zustand und die Entwicklung des Projektes aussagen. Leider ist es natürlich schwierig, auf eine so abstrakte und schwierige Frage in der Breite präzise Antworten zu bekommen.

Hier mein Versuch dazu. Für mich sind folgende Faktoren von übergeordneter Bedeutung:

  • Erfassung der Daten von Menschen für Menschen – d.h. die Datenerfassung ist unter der Kontrolle und Verantwortung von gleichgestellten Einzelpersonen und der Zweck der Datenerfassung ist primär die Nutzung durch Einzelpersonen.
  • Überprüfbarkeit der Daten – der Kern hiervon ist für mich insbesondere die konzeptionelle Abgrenzung von Projekten wie Wikipedia, welche die Beobachtung vor Ort ablehnen und stattdessen die die gesellschaftlich dominierende Vorstellung der Realität abbilden wollen (a.k.a. Tagesschau-Wahrheit).
  • Was die nicht direkt Mapping-orientierten Teile des OpenStreetMap-Projektes angeht – ich denke dabei vor Allem an Tagging-Diskussionen, Entwicklungs-Arbeiten oder das Aufstellen und die Diskussion von praktischen Regeln usw. – ist das meritokratische Prinzip für mich von essentieller Bedeutung. Die Idee dahinter ist, dass Entscheidungen immer auf Grundlage einer sachlichen Diskussion auf Basis von inhaltlichen Argumenten und überprüfbaren Belegen erfolgen.
  • Der soziale Vertrag – bestehend auf der einen Seite in der offenen Lizenz mit der Pflicht zur Quellen-Nennung und dem share-alike der Daten als sozialer Vertrag zwischen den Mappern und den Datennutzern. Auf der anderen Seite aber besteht ein solcher Vertrag auch unter den Mappern – durch das Prinzip “Gleiche Regeln für alle” sowie das Primat der lokalen Community (die lokalen Mapper haben die Hoheit über ihre Karte).

Wie die Meisten vermutlich erkennen, sind diese Grundsätze eng miteinander verwoben, einen Einzelnen davon zu entfernen würde zu erheblichem Ungleichgewicht und zu sozialen Verwerfungen im Projekt führen.

Dass diese Grundsätze von Einzelnen in Frage gestellt werden ist etwas, das seit Langem immer wieder vorkommt und für sich genommen kein Problem, sondern eher wünschenswert, da man dadurch dazu angeregt wird, eigene Prinzipien zu hinterfragen. Eine Frage, die ich mir erst in jüngerer Zeit gestellt habe, ist jedoch, ob es eigentlich unter den Aktiven in OpenSteetMap noch eine Mehrheit für diese Grundsätze gibt. Wenn jemand die Annehmlichkeiten und den Erfolg des Projektes schätzt, bedeutet das nicht zwangsläufig auch, dass er oder sie sich die Grundsätze, die zu diesem Erfolg geführt haben und für den zukünftige Erfolg entscheidend sind, auch zu eigen macht. Was ich in letzter Zeit recht häufig beobachte ist, dass Leute – oft aus einer sehr kurzsichtigen und egoistischen Motivation heraus – Kernprinzipien des Projektes in Frage stellen ohne sich klar zu machen, dass sie damit quasi an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.

Die oben aufgezählten Grundsätze sind natürlich meine persönliche Einschätzung der Essenz von OpenStreetMap. Andere mögen hier andere Schwerpunkte sehen. Aber ich würde Allen raten auch mal darüber zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen, ob

  • die von einem wahrgenommene Essenz von OpenStreetMap tatsächlich in der Lage ist, das Projekt langfristig zu tragen.
  • die Grundsätze von einer Mehrheit der OSM-Aktiven geteilt werden.

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