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Ist kleiner besser? – Eindrücke und Überlegungen zu Mikrosatelliten in der Erdbeobachtung

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Zunächst eine einleitende Bemerkung zu meinen Richtlinien bei Besprechungen von Geodaten-Produkten – denn ich bekomme ab und zu mal Anfragen von der Form könntest du nicht mal eine Besprechung von Produkt X von Firma Y machen. Bei Satellitenbild-Produkten habe ich zum Beispiel einen detaillierten Review der Arbeiten von Mapbox und Google gebracht, denn als diese vorgestellt wurden, waren dies neue und innovative Dinge, die zuvor noch niemand gemacht hatte. Ich hab mich jedoch nicht mit den ganzen „me too“-Produkten befasst, die seit dem auf Basis von Landsat- und Sentinel-2-Daten vorgestellt wurden, denn keines von diesen hat bis jetzt einen merklichen Fortschritt in der Qualität oder eine erwähnenswerte technische Innovation mit sich gebracht.

Ich konzentriere mich natürlich auch auf offene Datenprodukte und solche auf Basis offener Daten – sowohl weil ich in diesen Gebieten am meisten Erfahrungen habe als auch weil ich denke, dass dies für die Leser am interessantesten ist.

Mit diesen Dingen im Hinterkopf ist eine Besprechung der Produkte von Planet Labs jetzt nicht gerade naheliegend für mich. Man verwendet dort zwar teilweise offene Satellitendaten für Produkte für Kunden, jedoch bietet Planet Labs anscheinend derzeit keine eigenen offenen Daten an. Es gibt zwar ein Produkt namens Open California, welches angeblich unter CC-BY-SA steht, jedoch ist dies nicht öffentlich zugänglich (wodurch das Ganze ziemlich nach openwashing aussieht).

Planet Labs ist das bekannteste Unternehmen, welches aus dem Mikrosatelliten-Hype der letzten Jahre hervorgegangen ist und ist im Bereich der Erdbeobachtungs-Anwendungen hier sicher der bedeutendste Marktteilnehmer. Sie haben im Verlauf der letzten Jahre eine beachtliche Zahl von sehr kleinen Satelliten von wenigen Kilogramm Gewicht entwickelt und gestartet, jedoch ist der einzige öffentliche Dienst, den sie derzeit anbieten, ein Programm namens Planet Explorer. Hierbei handelt es sich um eine Reihe von nahezu globalen Satellitenbild-Zusammenstellungen von jeweils einem kurzen Zeitraum (einem oder drei Monaten) auf Basis von Daten der Satelliten des Unternehmens. Ich schreibe diese Besprechung hier nicht, weil dieser Dienst besonders nützlich ist und auch nicht weil er technisch besonders innovativ wäre (was auf einer Datenverarbeitungs-Ebene durchaus sein könnte, hinsichtlich Bildbearbeitung jedoch sicher nicht). Die Besprechung hier soll ein Beitrag zum faktenorientierten öffentlichen Diskurs zu derzeit produzierten und verfügbaren Satellitenbildern sein, bei dem man offensichtlich auch die Bilder von Planet Labs einbeziehen muss.

Ich möchte klarstellen, dass dies keine Besprechung der Bilddaten selbst ist. Planet Explorer bietet für den nicht registrierten Nutzer noch nicht einmal eine Darstellung in voller Auflösung und es gibt derzeit keine öffentlich zugänglichen Beispiel-Originaldaten für Rapideye- and Plantscope-Bilder. Dieser Beitrag befasst sich mit dem Gesamt-Korpus der Bilder, welche dort zu sehen sind und wovon ich annehme, dass dies im Wesentlichen alle verwendbaren Bilder sind, welche derzeit von der Firma erfasst werden (im diesem Auflösungs-Bereich, Planet Labs hat vor kurzem auch höher auflösende Satelliten erworben, deren Daten hier nicht enthalten sind).

Kein guter Anfang

Um dies gleich am Anfang aus dem Weg zu bekommen – Planet Explorer verwendet OpenStreetMap-Daten in ihrer Darstellung für Beschriftungen, Grenzen und andere Elemente unter Verletzung der ODbL. OpenStreetMap wird zwar irgendwo unter „Terms“ erwähnt, das ist aber in etwa das Internet-Equivalent zu „unten in einem Aktenschrank in einer unbenutzten Toilette mit einem Schild auf der Tür mit der Aufschrift Vorsicht, bissiger Leopard“. Der Nutzer bekommt dies üblicherweise nicht zu Gesicht, was jedoch genau das ist was die ODbL verlangt.

Man könnte dies auch sich in den Fuß schießen nennen in Bezug auf den öffentlichen Eindruck bei der Open Data Community. Die meisten Leute respektieren es, wenn das Geschäftsmodell einer Firma auf der Lizenzierung von Daten basiert und die Daten deshalb nicht als offene Daten angeboten werden, die Toleranz endet jedoch dort, wo das selbe Unternehmen zu geizig ist, um es anständig zu würdigen, wenn sie Daten verwenden, die andere großzügigerweise als offene Daten zugänglich gemacht haben.

Ich werde für den Zweck dieser Besprechung mal diesen Fauxpas ignorieren, allerdings sollte wer die Dienste von Planet Labs nutzt sich dieser Tatsache natürlich bewusst sein.

Was sagt uns dies über die Daten?

Die Kartendarstellung zeigt uns Zusammenstellungen der Planet-Labs-Bilder in Intervallen von einem oder drei Monaten. Diese bestehen im Moment aus drei verschiedenen Arten von Bildern:

  • Bilder der Rapideye-Konstellation, welche in der Zusammenstellung durch die relativ große Bildbreite von 77 km identifizierbar sind.
  • Bilder der sehr kleinen Planetscope-Satelliten in sonnen-synchroner Umlaufbahn mit einer Bildbreite von 24 km für welche Planet Labs hauptsächlich bekannt ist.
  • Bilder von Planetscope-Satelliten im ISS-Orbit, welche sich von den vorher genannten Bildern durch die etwas kleinere Bildbreite (20 km) und die geringere Neigung der Umlaufbahn unterscheiden.

Ich werde nicht viel zu der Strategie der Bild-Zusammenstellung sagen – diese ist nicht sehr anspruchsvoll. Bei den Rapideye-Bildern wird eine Form der Wolken-Erkennung und -Maskierung verwendet, bei den Planetscope-Bildern jedoch nicht.

Der interessantere Teil ist die Abdeckung. Planet Labs wirbt seit langem mit der Aussicht darauf, eine tägliche Abdeckung des gesamten Planeten zu produzieren – was natürlich nur für die Landflächen gemeint ist. Die Angaben dazu, in wie fern sie dies tatsächlich erreichen, sind jedoch immer etwas vage – Zahlen erwecken meist den Eindruck eher theoretische Zielvorgaben zu sein und man spricht von der Fähigkeit einer kompletten täglichen Abdeckung und nicht davon dass diese tatsächlich aufgenommen wird.

Abdeckung

Die Bilder scheinen auf den Bereich zwischen 57°S and 76°N begrenzt zu sein, die nördliche Grenze ist jedoch erkennbar keine Aufnahme-Grenze, sondern eine Bearbeitungs-Grenze. Diese Grenzen entsprechen übrigens in etwa den Grenzen der bekannten Welt bis zum 17. bis 18. Jahrhundert. Im Bereich wo Bilder aufgenommen werden, erreichen sie im Moment (mit Mai 2017 als neuestem Monat) etwa 90-95 Prozent Abdeckung im Monats-Intervall. Es ist möglich, dass ein Teil der Lücken daher ruht, dass einige Bilder nicht verarbeitet wurden, weil sie komplett wolkenbedeckt sind, und die eigentliche Abdeckung etwas besser ist. Das Ganze ist jedoch noch immer weit entfernt von einer vollständigen täglichen Abdeckung, schließt jedoch nicht aus, dass die täglich erfasste Fläche in der Gegend der Größe der gesamten Landfläche der Erde oder darüber liegt. Um dies zu erreichen braucht man nur genügend Erfassungs-Kapazität, sprich: genügend viele Satelliten. Für eine tatsächlich vollständige Abdeckung hingegen müssten diese Aufnahmen gleichmäßig über die Landflächen der Erde verteilt sein, was ein viel größeres Problem ist.

Die derzeitige Erfassungs-Strategie mit vielen anscheinend zufälligen Lücken in den Aufnahmen sieht ziemlich merkwürdig aus. Ich weiss natürlich nicht, was für technische Einschränkungen hier bei so kleinen Satelliten existieren, wie präzise man die Aufnahmen planen kann und in wie weit es in der Nähe eine Empfangsstation geben muss. Und man behalte im Kopf, dass sie diese Satelliten nicht wirklich manövrieren können und damit nur wenig Kontrolle darüber haben, wo ein Satellit zu welcher Zeit Aufnahmen machen kann. Man kann sich das in etwa wie ein Dart-Spiel vorstellen, wo der Spieler relativ schlecht ist und die Aufgabe hat, alle Felder der Scheibe mindestens einmal zu treffen. Er braucht dafür deutlich mehr Pfeile als es Felder auf der Scheibe gibt, denn er wird viele Felder mehr als einmal treffen, bevor er eine volle Abdeckung erreicht hat.

Hier ein Beispiel vom Mai 2017 von einem Ausschnitt in Süddeutschland.

Das Bild hat hundert Prozent Abdeckung, allerdings kann man deutlich sehen, dass ein Bereich in der Bildmitte stark von Wolken beeinträchtigt ist, was darauf hindeutet, dass hier vom Mai 2017 keine Aufnahmen ohne Wolken existieren (oder deren Verfahren zur Einschätzung der Bildqualität funktioniert nicht, danach sieht es aber nicht wirklich aus). Wenn ich das Wetter vom Mai anschaue (zum Beispiel auf Grundlage von MODIS- und VIIRS-Bildern) dann finde ich mindestens vier Tage mit gutem Wetter im Vormittags-Zeitraum in diesem Bereich, wo gute Aufnahmen möglich gewesen wären (10., 17., 26. und 27. Mai). Hier eine schnelle Zusammenstellung von Sentinel-2-Daten vom 10. und 27. Mai.

Dass ich dies auf Grundlage von Sentinel-2-Daten mit einem 10-Tage-Aufnahme-Intervall produzieren kann ist natürlich ein glücklicher Zufall. Aber dies zeigt, dass obwohl die von Planet Labs aufgenommenen Bilder möglicherweise von der Anzahl her ausreichen würden um das ganze Gebiet jeden Tag abzudecken, die tatsächlich aufgenommen Bilder dies nicht tun, und zwar ziemlich deutlich. Und die Gegend liegt auf einer geographischen Breite wo durch die Umlaufbahn-Geometrie die potentielle Aufnahme-Dichte schon deutlich höher liegt als am Äquator.

Ist kleiner besser?

Diese konkrete Analyse der aktuellen Angebote und Fähigkeiten von Planet Labs bringt mich nun aber zu der allgemeineren und ultimativen Frage – ist eine größere Zahl kleiner Satelliten mit einem recht kleinen Blickfeld besser als eine kleinere Zahl von größeren Satelliten mit einem großen Blickfeld?

Obwohl ich diese Frage so formuliert habe, dass sie von der räumlichen Auflösung unabhängig ist, ist dies in der Praxis natürlich nicht der Fall – Satelliten mit höherer Auflösung haben gewöhnlich ein kleineres Blickfeld. Hier ein paar Beispiele:

Satellit Masse Aufzeichnungs-Breite Auflösung Breite in Pixel (ungefähr)
Landsat 1500 kg 190 km 15 m 13000
Sentinel-2 1100 kg 290 km 10 m 30000
Rapideye 156 kg 77 km 6.5 m 12000
Planetscope 6 kg 24.6 km 3.7 m 6600
Skysat 83 kg 8 km 0.9 m 8000
Pleiades 970 kg 20 km 0.7 m 30000
WorldView-4 2500 kg 13.1 km 0.31 m 42000

Beim Vergleich der Auflösungen sollte man beachten, dass die Planetscope-Satelliten die einzigen mit einem Bayer-Pattern-Sensor sind (so dass die angegebene Auflösung sich auf die Kombination der verschiedenen Spektralbänder bezieht).

Ein sehr breites Blickfeld wie bei Sentinel-2 führt zu zusätzlichen Problemen wie der Positions-Genauigkeit und der Unterschiede in der Beleuchtung und dem Blickwinkel über das Blickfeld, dies ist jedoch nicht worum es mir hier geht. Ohne diese besonderen Probleme haben wir im Grunde die folgenden Einflüsse:

  • Satelliten mit einem kleinen Blickfeld (sowohl was den Winkel als auch was die Breite in Pixel betrifft) können leichter und billiger gebaut werden. Dies ist der Hauptgrund für das kleine Sichtfeld bei den Planetscope-Satelliten.
  • Kleinere Einzelbilder erlauben eine feiner granulierte Aufnahme-Planung – entweder in Bezug auf die aufgenommenen Stellen oder in Hinsicht auf gutes Wetter. Anders ausgedrückt: Falls die Aufnahme-Planung gut funktioniert, sind in kleineren Bildern im Mittel weniger Wolken vorhanden.
  • Kleinere Bilder bedeuten mehr Kanten zwischen den Bildern und damit mehr Diskontinuitäten in den Daten und mehr Probleme beim Zusammensetzen.
  • Die Entwicklung und der Bau einer größeren Zahl kleiner Satelliten kann deutlich billiger sein als der Bau eines einzelnen großen Satelliten. Das Risiko-Management in Bezug auf Ausfälle beim Start und im Betrieb ist auch einfacher.
  • Aufnahmen in hoher Auflösung erfordern eine bestimmte Mindestgröße der Optik, was wiederum eine harte Grenze für die Größe eines Satelliten darstellt.
  • Aufnahmen im langwelligem Infrarot (SWIR/TIR) erfordern eine Kühlung, welche sich nicht ohne Weiteres miniaturisieren lässt.

Wie man sieht gibt es also Vor- und Nachteile für beides. Zusätzliche Einflussfaktoren existieren, wenn man zielgerichtet nur bestimmte Stellen aufnehmen möchte – was bei allen sehr hochauflösenden Systemen derzeit der Fall ist. Ich betrachte hier jedoch nur den Zweck einer gleichmäßigen Routine-Abdeckung größerer Gebiete.

Wenn man 16 Landsat-Satelliten hätte und diese für diesen Zweck passend in ihren Umlaufbahnen anordnet, könnte man eine solide tägliche Abdeckung erreichen (Ja, natürlich müsste man auch die Systeme am Boden dafür erheblich erweitern). Nimmt man nur die Breite des Sichtfeldes als Grundlage (was natürlich eine starke Vereinfachung darstellt) könnte man das selbe mit etwa 16*190/24.6 = 124 Planetscope-Satelliten machen, falls man (a) diese mit der selben Aufnahmezeit pro Umlauf betreiben kann – was vielleicht möglich wäre, was im derzeitigen Betrieb jedoch nicht demonstriert wird und (b) wenn man die Satelliten in ihren Umlaufbahnen dafür optimal relativ zu einander anordnet – was nicht geht, denn die Satelliten haben keinen Antrieb und die begrenzten Möglichkeiten, indem man das Abbremsen durch die Atmosphäre steuert, reichen hierfür vermutlich nicht. Folglich braucht man für eine wirklich tägliche Abdeckung eine deutlich größere Anzahl von Satelliten, vermutlich ein vielfaches der genannten Zahl.

Meine Vermutung ist, dass falls Planet Labs längerfristig mit dem derzeitigen Geschäftsmodell und dem Ziel einer täglichen und vollständigen Abdeckung größerer Gebiete auf der ganzen Welt im Geschäft bleibt, dass sie vermutlich früher oder später beginnen werden, ihre Satelliten mit einer Form von Antrieb auszustatten.

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